Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenzverfahren. Einkünfte aus einer freiberuflichen Tätigkeit als Vertragsarzt. Insolvenzmasse. Kassenärztliche Vereinigung. Auskehrung des vertragsärztlichen Honorars an Insolvenzverwalter

 

Orientierungssatz

1. Einkünfte aus der freiberuflichen Tätigkeit als Vertragsarzt gehören in ihrem vollen Umfang zur Insolvenzmasse und nicht etwa nur der Gewinn, der sich aus der Verminderung der Einnahmen um die betrieblich veranlassten Ausgaben ergibt.

2. Eine Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) ist aufgrund des eröffneten und noch bestehenden Insolvenzverfahrens verpflichtet, das vertragsärztliche Honorar, das ein Vertragsarzt erwirtschaftet hat und während der Dauer des Insolvenzverfahrens erwirtschaftet (Neuerwerb), vollständig an den Insolvenzverwalter auszukehren.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Auszahlung vertragsärztlichen Honorars rückwirkend ab Januar 2003 zwecks Übernahme der operativen Praxiskosten und zur Deckung des Pfändungsfreibetrages.

Der Kläger ist Facharzt für Innere Medizin und zur vertragsärztlichen Versorgung in zugelassen. Auf Antrag des Finanzamtes G wurde gegen den Kläger durch Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 01.07.2002 das Insolvenzverfahren wegen rückständiger Steuerschulden eröffnet. Der Praxisbetrieb wird seitens des Klägers aufrechterhalten. Das seit Anfang 2003 von dem Kläger erwirtschaftete vertragsärztliche Honorar wird von der Beklagten unmittelbar an den seitens des Amtsgerichts Köln bestellten Insolvenzverwalter ausgezahlt.

Im Februar 2004 erhob der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Köln gegen den Insolvenzverwalter und beantragte zugleich den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Begehren, ihm die vertragsärztlichen Honorare zur Verfügung zu stellen. Nachdem der Kläger die Klage sowie den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Beklagte erweitert hatte, hat das Sozialgericht Köln die Verfahren mit Beschluss vom 12.03.2004 insoweit wegen örtlicher Zuständigkeit an das Sozialgericht Düsseldorf verwiesen.

Die weiteren Verfahren gegen den Insolvenzverwalter hat das Sozialgericht Köln mit Beschlüssen vom 17.03.2004 (S 11 SF 17/04 ER; S 11 SF 18/04) wegen sachlicher Unzuständigkeit an das Amtsgericht Köln verwiesen. Die hiergegen erhobenen Beschwerden hat das Landessozialgericht NRW mit Beschlüssen vom 26.05.2004 (L 16 B 3/04 SF ER; L 16 B 4/04 SF) zurückgewiesen.

Das einstweilige Rechtsschutzverfahren des Klägers ist erfolglos geblieben (Beschlüsse des SG Düsseldorf vom 17.08.2004 - S 14 KA 57/04 ER -, des LSG NRW vom 24.11.2004 - L 11 B 31/04 KA ER und des BSG vom 10.01.2005 - B 6 KA 2/04 S -).

Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger vor, dass die Beklagte die Honorarforderungen entgegen der Bestimmung des § 114 Insolvenzordnung (§ 114 InsO) an den Insolvenzverwalter überwiesen habe. Der Insolvenzverwalter verweigere die Übernahme der Praxiskosten und der Zahlung eines Pfändungsfreibetrages seit Januar 2003. Aufgrund eines Wechsels der Arztgruppe sei es zu erheblichen Honorarverlusten gekommen, die zu Rückständen u. a. in den Steuerzahlungen geführt hätten. Der Antrag des Finanzamtes Gummersbach auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei unbillig gewesen und das Insolvenzverfahren durch ein falsches Gutachten schließlich eröffnet worden. Seither verweigere ihm der Insolvenzverwalter die Kassenhonorare. Dieser verfüge zwischenzeitlich über 193.774,51 Euro seines Kassenhonorars. Die Kassenzulassung werde durch das Insolvenzverfahren nicht berührt, weswegen er seiner Berufstätigkeit weiter nachgehen dürfe. Der Insolvenzmasse unterlägen nicht sämtliche Forderungen, sondern nur der durch die Tätigkeit erwirtschaftete Überschuss. Ferner seien Honoraransprüche der Vertragsärzte als Arbeitseinkommen zu werten und nur unter den Voraussetzungen des §§ 850 ff der Zivilprozessordnung (ZPO) pfändbar. Das Sozialgericht sei zuständig, weil durch das Vorenthalten der Einkünfte, sein Kassenarztsitz vernichtet werde.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihm seine Kassenhonorare rückwirkend ab 01.01.2003 zwecks Übernahme der operativen Praxiskosten in Höhe von monatlich 9.094,00 Euro und zur Deckung des Pfändungsfreibetrages nach §§ 850 ff ZPO in Höhe von monatlich 5.504,63 Euro einschließlich Beiträge zur Krankenversicherung und Ärzteversorgung zur Verfügung zu stellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehörten Einkünfte, die ein selbständig tätiger Schuldner nach der Insolvenzeröffnung erziele, in vollem Umfang ohne Abzug für beruflich bedingte Ausgaben zur Insolvenzmasse. Der Schuldner könne lediglich nach § 850 i ZPO beantragen, dass ihm von seinen durch Vergütungsansprüche gegen Dritte erzielten Einkünften ein pfandfreier Anteil belassen wird. Vor einem solchen Antrag gehörten Honorareinkünfte in vollem Umfang zur Insolvenzmasse. Daher sei sie verpflichtet, nur noch an den Insolvenzverwalter zu leisten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf d...

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