Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Fahrkosten. stufenweise Wiedereingliederung als Leistung der medizinischen Rehabilitation

 

Leitsatz (amtlich)

Die Krankenkasse muss gemäß § 60 Abs 5 SGB V iVm § 73 SGB IX Fahrtkosten zum Arbeitgeber während der stufenweisen Wiedereingliederung zahlen, denn dabei handelt es sich um eine Leistung der medizinischen Rehabilitation.

 

Tenor

1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 14.12.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.2.2019 verurteilt, dem Kläger Fahrtkosten in Höhe von 85,- € für die stufenweise Wiedereingliederungsmaßnahme vom 3.12.2018 bis 16.12.2018 zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

3. Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Fahrtkosten in Höhe von 85,- € für die Zeit der Wiedereingliederung des Klägers vom 3.12.2018 bis 16.12.2018.

Der Kläger ist als Arbeitnehmer pflichtversichertes Mitglied der beklagten Krankenkasse. Seit dem 6.8.2018 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt und erhielt von der Beklagten Krankengeld. Mit Zustimmung der Beklagten fand vom 3.12.2018 bis 16.12.2018 eine stufenweise Wiedereingliederungsmaßnahme im Betrieb des Arbeitgebers gemäß § 74 SGB V statt. Der Kläger legte hierbei an 10 Tagen die Strecke von seinem Wohnort in C.... zum Arbeitgeber in D.... mit der Länge von 20 km zurück.

Mit dem hier streitbefangenen Bescheid vom 14.12.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.2.2019 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Fahrtkostenerstattung in Höhe von zunächst 120,- € für die Zeit der stufenweisen Wiedereingliederungsmaßnahme ab. Sie führte aus, dass § 60 Abs. 5 SGB V mit Verweis auf § 53 Abs. 1 - 3 SGB IX zwar eine Fahrtkostenerstattung im Zusammenhang mit Leistungen der medizinischen Rehabilitation vorsehe. Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation im Sinne der gesetzlichen Krankenkassen seien aber nur die Maßnahmen nach den §§ 40 und 41 SGB V (ambulante und stationäre Rehabilitationsmaßnahmen sowie medizinische Rehabilitationsmaßnahmen für Mütter und Väter) sowie die Belastungserprobung nach § 42 SGB V. Die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung seien dagegen keine Leistungen der Krankenversicherung zur medizinischen Rehabilitation.

Der Kläger hat fristgerecht am 28.2.2019 Klage erhoben. Er verweist darauf, dass die stufenweise Wiedereingliederung ein wichtiger und gleichberechtigter Bestandteil der medizinischen Rehabilitation sei. Deswegen hätten auch Sozialgerichte bereits entschieden, dass Fahrtkosten zu erstatten seien, wenn die Rentenversicherung der zuständige Träger sei. Für die Krankenkasse könne nichts anderes gelten, denn auch hier gehe es um eine möglichst vollständige Rehabilitation mit dem Ziel der Wiederaufnahme der früheren Tätigkeit.

Nach Hinweis des Gerichts, dass auch nach der vom Kläger vertretenen Rechtsauffassung eine Kostenerstattung nicht nach tatsächlichen gefahrenen Kilometern und der Pauschale des Bundesreisekostengesetzes vorzunehmen sei, sondern Kosten nur in Höhe der Fahrkarten für den ÖPNV erstattungsfähig seien, hat der Kläger seine ursprüngliche Klageforderung reduziert.

Er beantragt nunmehr noch,

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Fahrtkosten im Rahmen der stufenweisen Wiedereingliederung vom 3.12.2018 bis 16.12.2018 in Höhe von 85,- € unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 14.12.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.2.2019 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte tritt der Klage unter Bezugnahme auf die ergangenen Bescheide entgegen. Sie regt die Zulassung der Berufung an.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage hat Erfolg.

Der Bescheid vom 14.12.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.2.2019 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, denn der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung der Fahrtkosten für den Weg zu seinem Arbeitgeber während der stufenweisen Wiedereingliederungsmaßnahme in Höhe der Kosten, die für die Nutzung des ÖPNV entstanden wären.

Der Anspruch des Klägers ergibt sich hier aus § 60 Abs. 5 SGB V (in der damals gültigen Fassung) in Verbindung mit § 73 Abs. 1 und Abs. 3 SGB IX. Danach hat die Beklagte Fahrtkosten im Zusammenhang mit Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu erstatten.

Diese Voraussetzungen sind nach Auffassung der Kammer erfüllt, weil es sich bei der stufenweisen Wiedereingliederung auch im Krankenversicherungsrecht um eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation handelt, mit der die geltend gemachten Fahrtkosten hier "im Zusammenhang" stehen.

Die stufenweise Wiedereingliederung ist grundsätzlich zunächst ein Vertragsverhältnis eigener Art zwischen dem noch arbeitsunfähigen Versicherten...

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