Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Prozessführungsbefugnis eines Verbandes von Ersatzkassen. Geltendmachung von Wettbewerbsansprüchen für Mitgliedskassen. keine aktive Prozessführungsbefugnis. gesetzliche Prozessstandschaft nicht vorgesehen. keine gewillkürte Prozessstandschaft. fehlendes eigenes Rechtsschutzbedürfnis

 

Orientierungssatz

1. Für die Geltendmachung von Wettbewerbsansprüchen seiner Mitgliedskassen fehlt einem Verband von Ersatzkassen das Recht, den Prozess in eigenem Namen zu führen (aktive Prozessführungsbefugnis).

2. Die gesetzlichen Bestimmungen lassen für die Durchsetzung von wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen der Krankenkassen keine gesetzliche Prozessstandschaft bzw Verbandsklage zu.

3. Für eine Klage in gewillkürter Prozessstandschaft fehlt es einem Verband von Ersatzkassen am erforderlichen eigenen Rechtschutzbedürfnis. Im Unterschied zur Vertretung des Anspruchsinhabers - und damit zur Rechtsverfolgung im fremden Namen - muss die Geltendmachung fremder Rechte in eigenem Namen im Sozialgerichtsprozess zwingend mit einem Schutz eigener Rechte verbunden sein.

4. Die bloße Erfüllung satzungsgemäßer Aufgaben steht dem Schutz eigener Rechte nicht gleich.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 30.07.2019; Aktenzeichen B 1 KR 16/18 R)

 

Tenor

Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten allein zu tragen haben.

Die Sprungrevision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit von Werbemaßnahmen der beklagten Krankenkasse sowie die Prozessführungsbefugnis des Klägers.

Der Kläger ist als eingetragener Verein, Interessenvertretung und Dienstleister aller sechs Ersatzkassen. Er hat seinen Sitz in Berlin. Zu seinen Aufgaben gehört nach § 2a der Satzung unter anderem:

„die Beratung und Betreuung der Mitgliedskassen des Verbandes .. bei der Durchführung ihrer Aufgaben, der Austausch von Erfahrungen unter ihnen, die Vertretung und Förderung ihrer gemeinsamen Interessen sowie die gerichtliche und außergerichtliche Verfolgung ihrer und eigener wettbewerbsrechtlicher Ansprüche und die gerichtliche Verfolgung ihrer und eigener Ansprüche aus dem Recht der Leistungserbringer in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung.“

Die Beklagte ist eine Allgemeine Ortskrankenkasse. Zum Verfahren beigeladen sind die sechs Ersatzkassen als Mitgliedskassen des Klägers.

Die Beklagte bietet auf ihrer Internetseite unter der Bezeichnung „Vorteilspartner“ für ihre Mitglieder Vergünstigungen an. Dort erklärt sie:

„Profitieren Sie und Ihre Familie von attraktiven Rabatten und sparen Geld mit den Vorteilspartnern. Geben Sie einfach Ihren Ort oder PLZ ein und finden Sie unseren Partner in Ihrer Nähe!“

Im Jahr 2015 bot die Beklagte Rabatte für Kochkurse, beim Kauf von Fahrrädern, E-Bikes und Inspektionen, kostenlose Zugaben beim Kauf von E-Bikes, Rabatte für Eintritte in Hallenbäder, Saunen und Wellnesseinrichtungen sowie für Eintritte in Bowlingbahnen, Klettergärten, Film- und Freizeitparks sowie zu einer Gartenschau an. Mit Schreiben vom 26. August 2015 rügte der Beklagte gegenüber der Beklagten die Werbung als wettbewerbswidrig und mahnte die Beklagte mit der Forderung einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ab. Wegen der Einzelheiten der Abmahnung wird auf das Schreiben vom 26. August 2015 verwiesen.

Die Beklagte verwies auf die ihrer Ansicht nach fehlende Legitimation des Klägers zur Geltendmachung von Wettbewerbsansprüchen seiner Mitglieder und unterzeichnete die Unterlassungserklärung nicht.

Am 30. November 2015 hat der Kläger vor dem Sozialgericht Berlin Klage erhoben und offen gelegt, dass er Wettbewerbsansprüche der Mitgliedskassen geltend macht. Er ist der Ansicht, wettbewerbsrechtliche Ansprüche der Mitgliedskassen in eigenem Namen geltend machen zu können. Nach § 2a seiner Satzung sei er von den Mitgliedskassen mit der gerichtlichen Verfolgung ihrer und eigener wettbewerbsrechtlicher Ansprüche betraut. Daraus ergebe sich die Befugnis, die Ansprüche in gewillkürter Prozessstandschaft verfolgen zu können. Die Werbung der Beklagten sei wettbewerbswidrig.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000,00 € zu unterlassen, im geschäftigen Verkehr zu Wettbewerbszwecken damit zu werben, dass Versicherte der Beklagten bei Dritten Rabatte oder Sonderkonditionen für Produkte und Dienstleistungen erhalten, die keinen Bezug zu den Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung haben; insbesondere wenn mit Rabatten und Sonderkonditionen bei Dritten bei Kochkursen, beim Kauf von Fahrrädern, E-Bikes und bei Inspektionen solcher, durch kostenlose Zugaben beim Kauf von E-Bikes z. B. in Form von Fahrradhelmen und Fahrradschlössern, oder Rabatten bei Eintritten in Hallenbädern, Saunen und Wellnesseinrichtungen oder bei Eintritten zu Unterhaltungsangeboten wie Bowlingbahnen,...

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