Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeldanspruch. Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe. Beendigung des Bundesfreiwilligendienstes. - Bemessung des Arbeitslosengeldes. Bemessungszeitraum. Nichtberücksichtigung von Zeiten des Bundesfreiwilligendienstes. Unmittelbarkeit nach § 344 Abs 2 SGB 3. prägende Wirkung

 

Orientierungssatz

1. Die Beendigung eines Bundesfreiwilligendienstes löst keine Sperrzeit i S von § 159 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB 3 aus, auch wenn der Gesetzgeber die Freiwilligendienste versicherungsrechtlich einer versicherungspflichtigen Beschäftigung iS des § 25 Abs 1 SGB 3 gleichgestellt hat.

2. Die Berechnung des Arbeitslosengeldes erfolgt gem § 150 Abs 2 Nr 2 SGB 3 iVm § 344 Abs 2 SGB 3 auch dann, wenn zwischen dem Freiwilligendienst und dem vorangegangenen Versicherungspflichtverhältnis (hier: Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag) mehr als ein Monat liegt und von einer prägenden Wirkung des Versicherungspflichtverhältnisses auszugehen ist.

3. Az beim LSG: L 14 AL 162/17

 

Tenor

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 15.9.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.9.2016 sowie unter Abänderung des Bescheides vom 15.9.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.9.2016 verurteilt, der Klägerin ab 1.9.2016 Arbeitslosengeld ohne Sperrzeit nach Qualifikationsstufe 2 zu gewähren.

Die Beklagte erstattet die außergerichtlichen Kosten.

 

Tatbestand

Streitig sind Beginn und Höhe eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld (Alg) nach Beendigung einer Tätigkeit im Bundesfreiwilligendienst.

Die Klägerin ist Friseurmeisterin. Sie war in diesem Beruf seit 2.2.2009 selbständig tätig mit einer Antragsversicherung nach § 28a SGB III. Ende Januar 2016 stellte sie ihre Selbständigkeit ein, um am 8.2.2016 einen Bundesfreiwilligendienst beim DRK Landesverband anzutreten. Sie wollte dort Erfahrungen in der Behindertenarbeit sammeln.

Die Antragsversicherung nach § 28a SGB III hatte am 30.9.2016 mangels weiterer Beitragszahlung geendet.

Der auf den 31.12.2016 befristete Freiwilligendienst endete durch Kündigung der Klägerin am 31.8.2016.

Am 15.7.2016 meldete sich die Klägerin zum 1.9.2016 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Alg). Sie gab als Grund für die Kündigung an, dass die in der Einsatzstelle mündlich zugesagte Qualifizierung nicht ermöglicht worden sei, außerdem habe sie mit dem Taschengeld von netto 233 € monatlich bei 32 Wochenstunden Arbeitseinsatz finanzielle Probleme bekommen.

Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 15.9.2016 eine zwölfwöchige Sperrzeit fest, weil die Klägerin “ihr Beschäftigungsverhältnis beim DRK Landesverband durch eigene Kündigung selbst gelöst habe„ und bewilligte Alg mit einem Auszahlungsanspruch nach Ablauf des sperrzeitbedingten Ruhens in Höhe von 3,83 € täglich. Dieser Berechnung liegt eine Bemessung nach dem erzielten Taschengeld von monatlich 240 € brutto im Freiwilligendienst zugrunde (Bescheid vom 15.9.2016).

Gegen beide Bescheide erhob die Klägerin Widerspruch. Die Tätigkeit beim DRK Landesverband sei kein Beschäftigungsverhältnis i. S. von § 159 SGB III gewesen, sondern ein freiwillig übernommenes Ehrenamt, das jederzeit beendet werden dürfe.

Weil es sich bei dem Taschengeld um kein Arbeitsentgelt handle, könne dieses nicht in die Alg-Bemessung einfließen. Maßstab müsse die jahrelang ausgeübte Selbständigkeit als Friseurmeisterin sein, für die bis zum 30.9.2015 Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entrichtet worden seien.

Die Beklagte wies beide Widersprüche mit Widerspruchsbescheiden vom 23.9. und 22.9.2016 als unbegründet zurück: Freiwillige nach dem Bundesfreiwilligendienst seien nach §§ 25, 27 SGB III versicherungspflichtige Beschäftigte. Daher unterlägen sie auch der Sperrzeitprüfung. Die geringen Entgelte stellten objektiv keinen wichtigen Grund für die vorzeitige Beendigung der Beschäftigung dar; eine besondere Härte sei nicht erkennbar.

Die Alg-Bemessung entspreche den gesetzlichen Bestimmungen. Mangels eines dem Bundesfreiwilligendienst unmittelbar vorausgehenden Versicherungspflichtverhältnisses scheide eine fiktive Bemessung aus. Dies ergebe sich aus § 344 Abs. 2 SGB III.

Mit Klage vom 24.10.2016 verfolgt die Klägerin ihren Anspruch auf Alg ohne Sperrzeit und nach ihrer Qualifikation als Meisterin weiter.

Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15.9.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.9.2016 sowie unter Abänderung des Bescheides vom 15.9.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.9.2016 zu verurteilen, der Klägerin ab 1.9.2016 Arbeitslosengeld ohne Sperrzeit und nach einer fiktiven Bemessung zu gewähren.

Der Beklagtenvertreter beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zum übrigen Sach- und Streitstand wird ergänzend auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die beigezogene Leistungsakte verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Alg ohne Sperrzeit sowie unter Berücksichtigung ihrer Qualifikation als Friseurmeister...

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