Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht. Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH. Stimmrechtsvereinbarung außerhalb des Gesellschaftsvertrages ohne notarielle Beurkundung und Eintragung in das Handelsregister hat keine sozialversicherungsrechtliche Bedeutung. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nur im Gesellschaftsvertrag geregelte Minderheitenrechte haben sozialversicherungsrechtliche Bedeutung.

2. Vereinbarungen außerhalb des Gesellschaftsvertrages (hier: Stimmrechtsvereinbarung), die nicht notariell beurkundet und nicht ins Handelsregister eingetragen sind, haben hingegen keine sozialversicherungsrechtliche Bedeutung.

 

Orientierungssatz

zu Leitsatz 1 vgl BSG vom 11.11.2015 - B 12 KR 10/14 R = SozR 4-2400 § 7 Nr 28 = juris RdNr 32

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 5. Februar 2015 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind für beide Instanzen nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Versicherungspflicht des Klägers in mehreren Zweigen der Sozialversicherung vom 1. März 2011 bis zum 5. Juni 2014 im Rahmen seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1).

Der Kläger ist Geschäftsführer und Mitgesellschafter der Beigeladenen zu 1), an der er ein Drittel der Gesellschaftsanteile hält. Der notariell beurkundete und entsprechend ins Handelsregister eingetragene Gesellschaftsvertrag vom 1. März 2011 sieht u. a. die Alleinvertretungsbefugnis des Geschäftsführers vor, wobei allerdings für bestimmte Geschäfte eine Zustimmung der Gesellschafter bestimmt ist. Gesellschaftsbeschlüsse werden mit einfacher Mehrheit getroffen, Sperrminoritäten sind nicht vorgesehen. Mit der Beigeladenen zu 1) hat der Kläger einen Geschäftsführervertrag abgeschlossen. Dieser sieht u. a. eine monatliche Vergütung in Höhe von zunächst 550,00 EUR brutto nebst Prämien mit späteren Erhöhungen auf 850,00 EUR (1. Juni 2011), 2.200,00 EUR (1. Dezember 2011) und 2.800,00 EUR (1. Juli 2012), Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und einen festen Urlaubsanspruch vor. Die Kündigung durch die Beigeladene zu 1) ist nur aus wichtigem Grund möglich, der Kläger ist im Wesentlichen alleinvertretungsbefugt und bedarf nur für bestimmte Geschäfte der Zustimmung der Gesellschafterversammlung. Für Änderungen des Vertrages ist eine schriftliche Form vorgesehen.

Im April 2011 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Status.

Mit Bescheid vom 28. Juli 2011 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis im Sinne von § 7 SGB IV bei der Beigeladenen zu 1) stehe und somit der Versicherungspflicht in der Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung unterliege. Er sei abhängig beschäftigt, da er ein regelmäßiges Entgelt für seine Arbeitskraft erhalte und keinen ausreichend großen Anteil an der GmbH halte, um entscheidenden Einfluss ausüben zu können. Dass er im Wesentlichen weisungsfrei arbeite und alleinvertretungsbefugt sei, reiche insoweit für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit nicht aus.

Mit dem Widerspruch machte der Kläger geltend, es liege eine selbstständige Tätigkeit vor. Insofern sei zu beachten, dass er das Unternehmen faktisch selbstständig und weisungsfrei führe. Er könne auch Beschlüsse der Gesellschaft verhindern, da eine Beschlussfähigkeit erst bei Anwesenheit von 75 % der Stimmrechte vorgesehen sei. Außerdem stehe das wirtschaftliche Risiko durch seine Gesellschafterstellung gegenüber dem geringen Entgelt deutlich im Vordergrund, da er Bürgschaften für die Beigeladene zu 1) in Höhe von 120.000,00 EUR übernommen habe.

Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. Juni 2012 im Wesentlichen aus den Gründen des Ausgangsbescheides zurück. Es stehe außer Zweifel, dass das Beschäftigungsverhältnis Merkmale einer Selbstständigkeit aufweise, diese seien aber auch bei Fremdgeschäftsführern üblich, so dass sie bei der Gesamtbeurteilung nur eine untergeordnete Bedeutung hätten.

Mit der am 2. Juli 2012 beim Sozialgericht Kiel erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Die Einschätzung seines sozialversicherungsrechtlichen Status durch die Beklagte sei falsch. Der Gesellschaftsvertrag sei nie so gelebt worden, wie er am 1. März 2011 notariell beurkundet worden sei. So hätten die Gesellschafter bereits am 2. März 2011 im Rahmen einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung beschlossen, dass Entscheidungen durch die Gesellschafter nur einstimmig erfolgen könnten. Dies sei am 22. Mai 2014 erneut bestätigt und dann am 6. Juni 2014 ins Handelsregister eingetragen worden. Die Änderung sei aber auch ohne die Eintragung schon wirksam gewesen, da nach der Rechtsprechung des BGH auch außerhalb der Satzung eine schuldrechtliche Bindung der Gesellschafter möglich sei. Außerdem seien die finanziellen Verpflichtungen des Kläg...

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