Rz. 5

Rehabilitationsbedürftigkeit besteht, wenn als Folge einer körperlichen, geistigen oder seelischen Schädigung voraussichtlich nicht nur vorübergehende Fähigkeitsstörungen oder bereits drohende oder manifeste Beeinträchtigungen vorliegen. Weitere Voraussetzung ist, dass über die kurative Versorgung (Krankenbehandlung einschließlich stationärer Krankenhausbehandlung) hinaus medizinische Rehabilitationsleistungen erforderlich sind, um langfristig bestehende (vgl. Rz. 5a) Fähigkeitsstörungen oder Beeinträchtigungen bzw. Aktivitätseinschränkungen und Partizipationsstörungen zu vermeiden, zu beseitigen, zu vermindern bzw. eine Verschlimmerung zu verhüten (nähere Informationen zur Behinderung: vgl. Komm. zu § 2). Ferner ist Voraussetzung, dass zur Erreichung des Ziels ganzheitliche (= den gesamten Menschen betrachtende), multimodale (= mehrere Gesundheitsberufe beteiligende) und interdisziplinäre (therapeutisch verzahnte) Maßnahmen notwendig werden, damit der Versicherte zukünftig seinen Alltag (z. B. berufliche Verpflichtungen und/oder Teilnahme am Leben in der Gesellschaft/Gemeinschaft) möglichst ohne gesundheitliche Barrieren selbst gestalten kann.

Für den Dauererfolg einer Rehabilitation ist es von entscheidender Bedeutung, dass der Betroffene neben der aktiven Mitwirkung an der Behandlung (z. B. Erlernen neuer Fähigkeiten wie das Erlernen des Essens und Schluckens nach einem Schlaganfall) angeleitet wird und lernt, was der eigenen Gesundheit und den daraus sich abzeichnenden Folgen für die Alltagsbewältigung zu- oder abträglich ist (z. B. Bewegungsübungen, Ernährungseinstellung und -umstellungen, Verzicht auf Nikotin- und Alkoholgenuss).

 

Rz. 5a

Rehabilitationsbedürftigkeit i. S. d. rehabilitationsträgerspezifischen Vorschriften kann auch dann bestehen, wenn die körperliche Funktion, die geistige Fähigkeit oder die seelische Gesundheit bzw. die Sinnesbeeinträchtigung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht länger als 6 Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Der Behinderungsbegriff i. S. d. § 2 Abs. 1 ist nämlich losgelöst von dem Begriff der Rehabilitationsbedürftigkeit z. B. i. S. d. § 40 SGB V zu sehen (§ 7 Abs. 1). Rehabilitationsleistungen sind deshalb nach den rehabilitationsträgerspezifischen Vorschriften in der Krankenversicherung bereits dann angezeigt, wenn der Rehabilitand durch körperliche, geistige oder seelische Fähigkeitsstörungen (einschließlich Sinnesbeeinträchtigungen) bei der Ausübung seiner alltäglichen Verrichtungen beeinträchtigt wird und diese Beeinträchtigungen voraussichtlich durch Rehabilitationsleistungen

  • für eine nicht unerhebliche Dauer (= zumindest mehrere Monate) und
  • in einem mehr als geringen Grad

verbessert werden können.

 

Rz. 5b

Leistungen zur medizinischen Rehabilitation können nicht nur beansprucht werden, wenn der Tatbestand der Behinderung bereits eingetreten ist. Gemäß § 1 und § 3 zielen die Rehabilitationsleistungen auch darauf ab, bei drohenden Behinderungen (z. B. chronische Erkrankungen, die zu Aktivitäts- und Partizipationsstörungen führen können)

  • den Eintritt einer Behinderung oder
  • bei bestehender Behinderung deren Verschlimmerung

zu vermeiden.

Bevor die in § 42 Abs. 1 aufgeführten Ziele überhaupt verfolgt werden können, ist der Rehabilitations-/Teilhabebedarf (§ 4) des behinderten bzw. von Behinderung bedrohten Menschen (§ 2 Abs. 1) zu ermitteln. Ist er erkannt, muss geprüft werden, ob der die Leistungen auslösende Teilhabebedarf seinen Schwerpunkt im medizinischen, "schulischen", "beruflichen" oder "sozialen" Bereich hat. Besteht ein Teilhabebedarf in mehreren Bereichen, sind die Leistungen untereinander zu koordinieren (§ 19).

Es ist derjenige Rehabilitationsträger leistungspflichtig, dessen Leistungsspektrum (vgl. Rz. 8) den Schwerpunkt der jeweils notwendigen Leistungsziele und -gruppen bildet (vgl. § 5 i. V. m. § 6). Kann eine Leistung neben der Leistungsgruppe "medizinischen Rehabilitation" mindestens einer weiteren Leistungsgruppe (§ 5) zugeordnet werden, gehen die Leistungen der medizinischen Rehabilitation denen der Teilhabe am Leben am Arbeitsleben oder der sozialen Teilhabe vor. Das bedeutet z. B. bei der Versorgung mit einem aus beruflichen Gründen besonders hochwertigen Hörgerät, dass erst einmal der Leistungsanspruch im Rahmen der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu prüfen ist (hier ist i. d. R. die Krankenkasse zuständig, die ihren Festzuschuss zahlt). Wird der Teilhabebedarf wegen des beruflichen Mehrbedarfs (z. B. beim Musiker) nicht gedeckt, ist im Rahmen der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu prüfen, ob vom Rehabilitationsträger der verbliebene unbedeckte Kostenanteil übernommen werden kann (vgl. auch Komm. zu § 47). Im Übrigen wird auf die Komm. zu § 5 verwiesen.

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