Rz. 13

Durch § 25 Abs. 1 Nr. 4 wird den Rehabilitationsträgern die Verantwortung für eine trägerübergreifende Begutachtung nach einheitlichen Grundsätzen übertragen. Ziel ist,

  • trotz der rehabilitationsträgerspezifischen Ausrichtungen Mehrfachgutachten zu vermeiden,
  • sich widersprechende Begutachtungsergebnisse, die in der Vergangenheit immer wieder zu Verzögerungen im Rehabilitationsprozess geführt haben, auszuschließen und
  • den rehabilitationsträgerübergreifenden Teilhabe- und Leistungsbedarf nach einheitlichen Kriterien zu erheben.
 

Rz. 14

Unter dem Begriff der Begutachtung sind nicht nur förmlich erteilte ärztlich-medizinische oder psychologische Gutachten, sondern alle zur Beurteilung des Teilhabebedarfs/-prozesses erstellten Gutachten von Medizinern, Psychologen, Integrationsberatern, Sozialarbeitern, Mitarbeitern des Medizinischen oder Ärztlichen Dienstes usw. zu verstehen.

Als Gutachten in diesem Sinne gilt die Anwendung (meist) sozialmedizinischer oder psychologischer Erkenntnisse und Erfahrungen bezogen auf einen Einzelfall im Hinblick auf eine konkrete Fragestellung des Auftrag gebenden Rehabilitationsträgers. Wesentliches Merkmal eines Gutachtens ist die wissenschaftlich begründbare Schlussfolgerung.

Die Gutachten können nach Aktenlage auf der Grundlage der vorhandenen Unterlagen erstellt werden, wenn bereits daraus die für die Schlussfolgerungen notwendigen Angaben und Befunde ermittelt werden können. Eine aktuelle persönliche Untersuchung und Befragung ist in diesen Fällen nicht notwendig.

 

Rz. 15

Ist für die umfassende Bedarfsfeststellung ein Gutachten eines Sachverständigen erforderlich, gibt der leistende Rehabilitationsträger ein Gutachten nach den Regelungen des § 17 in Auftrag. Dabei bleiben die gesetzlichen Aufgaben der Gesundheitsämter, des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung und die gutachterliche Beteiligung der Bundesagentur für Arbeit unberührt; die jeweiligen Aufgaben werden weder eingeschränkt noch ausgeweitet. Gleiches gilt für das Begutachtungsverfahren der gesetzlichen Krankenkassen (Einschaltung des MDK).

Die Ergebnisse verschiedener Gutachten werden in der Teilhabeplanung zusammengeführt (vgl. § 28 Abs. 1 der unter 6 aufgeführten Gemeinsamen Empfehlung "Reha-Prozess"). 

Die Rehabilitationsträger i. S. d. § 6 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 sowie die Integrationsämter haben zur Erreichung einer einheitlichen Durchführung von Begutachtungen unter Federführung der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) am 1.12.2016 eine "Gemeinsame Empfehlung nach § 13 Abs. 1 i. V. m. § 12 Abs. 1 Nr. 4 SGB IX für die Durchführung von Begutachtungen möglichst nach einheitlichen Grundsätzen (Gemeinsame Empfehlung Begutachtung)" vereinbart. Bei den §§ 12 und 13 handelt es sich um die textlich überwiegend inhaltsgleichen Vorgängerversionen der heutigen §§ 25 und 26. Nach § 28 Abs. 4 der Gemeinsamen Empfehlung "Reha-Prozess" ist diese Gemeinsame Empfehlung noch anzuwenden.

 

Rz. 16

Mit der "Gemeinsamen Empfehlung Begutachtung" werden vorrangig trägerübergreifende Grundsätze für das Gutachter- bzw. Sachverständigenverfahren festgelegt. Die Art und Weise der Untersuchungen sowie die Ergebnisse sind so zu dokumentieren, dass sie auch bei der Prüfung der Voraussetzungen anderer Sozialleistungen bzw. von anderen Leistungsträgern verwendet werden können. So ist es heute Standard, dass die Rehabilitationsträger untereinander Gutachten des anderen Rehabilitationsträgers anerkennen – so z. B. die Rentenversicherungsträger Gutachten des Medizinischen Dienstes und die Krankenkassen die vom Rentenversicherungsträger veranlassten Gutachten.

Der Umfang der Untersuchung richtet sich nach der Aufgabe, die der Leistungsträger, der die Untersuchung veranlasst hat, zu erfüllen hat (§ 96 Abs. 1 SGB X). Zur Vermeidung von unnötigen Doppeluntersuchungen haben die Leistungsträger durch Vereinbarungen sicherzustellen, dass Untersuchungen unterbleiben, soweit bereits verwertbare Untersuchungsergebnisse vorliegen (§ 96 Abs. 2 SGB X). Die Bildung einer Zentraldatei mehrerer Leistungsträger für Daten der ärztlich untersuchten Leistungsempfänger ist allerdings nicht zulässig (§ 96 Abs. 3 SGB X).

Nach der Gemeinsamen Empfehlung soll bei den Begutachtungen mithilfe der ICF ("International Classification of Functioning, Disability and Health"; vgl. Komm. zu § 2) als Grundlage für ein bio-psycho-soziales Verständnis über den bio-medizinischen Ansatz hinaus eine ganzheitliche rehabilitationsträgerübergreifende Betrachtungsweise aller sozialmedizinisch relevanten Aspekte einer Person in ihrem jeweiligen Umfeld gelingen (vgl. Vorwort zur Gemeinsamen Empfehlung).

 

Rz. 17

Inhaltlich haben die Gutachten auf die Frage einzugehen, inwieweit und wie die in § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 angesprochenen Ziele für behinderte oder von Behinderung bedrohte Menschen im Einzelfall verwirklicht werden können. Hierfür ist das Teilhabepotenzial individuell zu ermitteln, und zwar mit einer Prognose der Entwicklung, die bei einer bestmöglichen Förderung und Nutzung alle...

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