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Wenn es dem Rehabilitanden aus medizinischen oder anderen Gründen entweder nicht möglich oder nicht zumutbar war, vor der Beschaffung den Rehabilitationsträger einzuschalten, kann ein Kostenerstattungsanspruch mit dem "Unvermögen des Rehabilitationsträgers zur rechtzeitigen Erbringung einer unaufschiebbaren Leistung" begründet werden (BSG, Beschluss v. 10.1.2005, B 1 KR 69/03 B).

Der Kostenerstattungsanspruch hängt nicht davon ab, dass dem Rehabilitationsträger für die fehlende Bereitstellung der Teilhabeleistung kein Verschulden trifft. Auch ist unbedeutend, ob der Rehabilitationsträger bereits die Leistung bewilligt hat, aber die Leistung wegen Wartezeiten noch nicht bereitstellen kann.

Bei der Beurteilung der Unaufschiebbarkeit sind die individuelle Lebenssituation des Leistungsberechtigten als auch dessen gesamter Lebenshintergrund (Kontextfaktoren) zu betrachten.

Eine unaufschiebbare Leistung liegt vor, wenn

  • z. B. der angestrebte Behandlungserfolg zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr eintreten kann oder aus anderen medizinischen Gründen – z. B. wegen der Intensität der Schmerzen – ein auch nur vorübergehendes weiteres Abwarten nicht mehr zumutbar ist (BSG, Urteil v. 6.3.2012, B 1 KR 17/11 R),
  • der Leistungsberechtigte ohne die Teilhabeleistung in seiner Lebensqualität unvertretbar stark eingeschränkt ist,
  • eine Leistungserbringung im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Durchführung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs bis zur Entscheidung des Rehabilitationsträgers besteht (BSG, Urteil v. 14.12.2006, B 1 KR 8/06 R; vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 21.8.2012, L 11 R 5319/11),
  • der die Rehabilitationsleistung beantragende Leistungsberechtigte wegen der fehlenden Leistung mit einfachsten Alltagsanforderungen nicht mehr klar kommt,
  • ein Schüler mit einem Hilfsmittel (§ 47) versorgt werden muss, um am Schulunterricht teilnehmen zu können,
  • eine Krankenhausentlassung des Antragstellers nur vorgenommen werden kann, wenn der Antragsteller mit einem bestimmten Hilfsmittel ausgestattet ist (z. B. Gerät zur Sauerstoffversorgung) oder
  • Notfälle und andere dringliche Bedarfslagen vorliegen, in denen eine Sachleistung nicht rechtzeitig zur Verfügung steht (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 19.3.2009, L 10 R 2684/07). Hierzu 3 Anmerkungen:

    • Bei einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation wird nach allgemeiner Auffassung i. d. R. lediglich ein dringender Therapie-/Teilhabebedarf zum Ausdruck gebracht, nicht jedoch ein "Notfall".
    • Wenn ein Antragsteller seine berufliche "Umschulung" wegen fehlender Abklärungen durch den Rehabilitationsträger nicht zum gewünschten Termin beginnen kann, rechtfertigt das keine Anwendung des § 18 Abs. 6, wenn derartige Umschulungen immer wieder von unterschiedlichen Institutionen zu unterschiedlichen Terminen durchgeführt werden (vgl. LSG Bayern, Urteil v. 23.1.2013, L 19 R 694/09).
    • Gerade bei einer Berufshilfemaßnahme ist i. d. R. ein Abwarten der Entscheidung des Rehabilitationsträgers erforderlich, weil die Beschaffung eingehender – dem Versicherten regelmäßig nicht zur Verfügung stehender – Kenntnisse der verschiedenen für eine berufliche Rehabilitation in Erwägung zu ziehenden Möglichkeiten notwendig ist, um eine sinnvolle Auswahl hinsichtlich der möglichen Berufshilfemaßnahmen treffen zu können (vgl. BSG, Urteil v. 24.2.2000, B 2 U 12/99 R, sowie LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 19.3.2009, L 10 R 2684/07).

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