Rz. 21

Insbesondere in der Krankenversicherung wird eine ärztliche Verordnung bzw. Notwendigkeitsbescheinigung über Teilhabeleistungen als Antrag i. S. d. § 14 Abs. 1 Satz 1 bewertet – und zwar auch dann, wenn der Versicherte in seiner Person unmittelbar gegenüber der Krankenkasse aktiv keinen konkreten Wunsch nach einer Teilhabeleistung geäußert hat (konkludentes Handeln). Die Krankenkassen unterstellen in diesen Fällen regelmäßig, dass der Antrag in Form der Verordnung/Notwendigkeitsbescheinigung dem Willen des Versicherten (fiktiver Antragsteller) entspricht (vgl. hierzu Rz. 17 ff.). Allerdings muss die Verordnung/Notwendigkeitsbescheinigung die notwendigen Angaben über die Art des Teilhabebedarfs und den konkludenten Willen des Versicherten zur Befriedigung des Teilhabebedarfs erkennen lassen.

Der Vordruck "Muster 61 Teil A", auf dem der Arzt lediglich ankreuzt, dass ggf. ein Teilhabebedarf besteht (ohne Nennung, um was für einen Teilhabebedarf es sich handelt), gilt lediglich als Anzeige für das mögliche Bestehen eines Teilhabebedarfs. Mit dem Vordruck ist auch kein konkreter Antrag auf eine Teilhabeleistung verbunden. Die 14-Tage-Frist des § 14 Abs. 1 Satz 1 kann er deshalb nicht auslösen.

Der vom Arzt ausgefüllte Vordruck "Muster 61 Teil B bis D", aus dem sich konkrete Teilhabebedarfe ersehen lassen, gilt stattdessen in der Krankenversicherung als Antrag. Mit Eingang dieses 3-seitigen Vordrucks bei der Krankenkasse beginnt dann die 14-Tage-Frist zur Klärung der eigenen Zuständigkeit (vgl. Ergebnisnotiz über das Gespräch der DRV Bund und des GKV-Spitzenverbandes sowie den Verbänden der Krankenkassen auf Bundesebene zum Thema Verordnungsvordruck "Muster 61" am 05.12.2019).

 

Rz. 22

Teilweise senden die Krankenkassen den vom Arzt ausgefüllten Vordruck Muster 61 Teil B bis D an den Rentenversicherungsträger weiter, wenn sie erkennen, dass die Erwerbsfähigkeit des Versicherten gemindert bzw. gefährdet ist (Vorrang der Rentenversicherungsleistungen nach § 40 Abs. 4 SGB V). Über die Möglichkeit der Weiterleitung des Verordnungsvordrucks nach § 14 Abs. 1 erfolgte am 16.12.2016 zwischen der DRV Bund und dem GKV-Spitzenverband sowie den Verbänden der Krankenkassen auf Bundesebene ein fachlicher Austausch. Als Gesprächsergebnis wurde festgehalten, dass in den Fällen, in denen eine "Weiterleitung des Musters 61 ohne Unterschrift des Versicherten" erfolgt, der Rentenversicherungsträger dem Versicherten das Antragsformular der Rentenversicherung übersendet und so die Zustimmung des Versicherten zum Rehabilitationsantrag einholt. In diesen Fällen sieht sich der Rentenversicherungsträger allerdings als erstangegangener und nicht als zweitangegangener Rehabilitationsträger i. S. d. § 14 (weil nach Auffassung der Rentenversicherung eine Antragstellung erst nach Unterschriftsleistung vorliegt).

Ein Gespräch zwischen der DRV Bund und des GKV-Spitzenverbandes sowie den Verbänden der Krankenkassen auf Bundesebene zum Thema Verordnungsvordruck "Muster 61" brachte am 05.12.2019 keine Änderung des bisherigen Auffassungen: Ohne eine weitere Willensäußerung der Versicherten, z. B. durch eine Unterschrift, umfasse das Muster 61 keinen Antrag i. S. d. gesetzlichen Rentenversicherung. Die Krankenkassen könnten, wie bereits in der Besprechung vom 16.12.2016 vereinbart, weiterhin auch ohne dokumentierte Willenserklärung des Versicherten den vom Arzt ausgefüllten Vordruck "Muster 61" an die DRV weiterleiten. In diesen Fällen wird die DRV den Versicherten das Antragsformular der DRV übersenden und so die Zustimmung der Versicherten zum Rehabilitationsantrag einholen. Die DRV sieht sich allerdings in diesen Fällen weiterhin nicht als zweitangegangener Rehabilitationsträger i. S. d. § 14 SGB IX.

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