Rz. 16

Der Leistungsantrag ist unter jedem denkbar rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen (BSG, Urteil v. 25.9.2014, B 8 SO 7/13 R). Im Zweifel will der behinderte Mensch die ihm günstigste Art der Leistungsgewährung in Anspruch nehmen, sodass der gestellte Teilhabeantrag umfassend, d. h. auf alle nach Lage des Falles in Betracht kommenden Leistungen (BSG, Urteil v. 30.10.2014, B 5 R 8/14 R) und Bedarfssituationen (BSG, Urteil v. 24.1.2013, B 3 KR 5/12 R) zu prüfen ist (vgl. auch: BSG; Urteil v. 4.4.2019, B 8 SO 12/17 R). Dieses ergibt sich auch aus § 5 Abs. 2 der GE Reha-Prozess: Danach muss sich die Ermittlung und Konkretisierung des Begehrens des Antragstellers an dem Ziel der umfassenden Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (§ 1 SGB IX) im Sinne der Herbeiführung des Gesamterfolges orientieren. Für den Gesamterfolg kann oft ein Bündel von einzelnen Leistungen zur Teilhabe erforderlich sein. Bei der Beantragung einer Teilhabeleistung müssen die Rehabilitationsträger deshalb berücksichtigen, dass noch weitere Teilhabeleistungen erforderlich sein können (vgl. auch § 13 i. V. m. § 14 Abs. 2 Satz 1).

Die Ermittlung und Konkretisierung des mit dem Antrag verfolgten Leistungsbegehrens hat somit zur Erreichung des Gesamterfolgs der "Eingliederung" bzw. "Wiedereingliederung" nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung zu erfolgen. Nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung ist ein Sozialleistungsantrag so auszulegen, dass er dem mutmaßlichen Interesse des Betroffenen und der Verwirklichung seiner sozialen Rechte am besten entspricht. An seinen Inhalt sind keine überspannten Anforderungen zu stellen. Danach ist, sofern eine ausdrückliche Beschränkung auf eine bestimmte Leistung nicht vorliegt, davon auszugehen, dass der Antragsteller die nach der Lage des Falls ernsthaft in Betracht kommenden Leistungen begehrt, unabhängig davon, welchen Ausdruck er gewählt hat (BSG, Urteil vom 30.10.2014, B 5 R 8/14 R). Rechtlich maßgebend für den Inhalt eines öffentlich-rechtlichen Antrags ist, wie der Rehabilitationsträger einen Antrag unter Berücksichtigung aller erkennbaren Umstände sowie nach Treu und Glauben zu verstehen hat. Dabei muss sich die Auslegung auf die in Frage stehenden Äußerungen in ihrer Gesamtheit und das mit ihnen erkennbar verfolgte Rechtsschutzziel beziehen (BSG, Urteil vom 30.10.2014, a. a. O.). Sollten verschiedene Teilhabeleistungen in Betracht kommen, sind diese grundsätzlich in ihrer Gesamtheit als Gegenstand des Antrags aufzufassen (vgl. § 5 Abs. 3 der GE Reha-Prozess).

Deshalb ist der erstangegangene Rehabilitationsträger ungeachtet seiner "eigentlichen" Zuständigkeit jeweils zur umfassenden Prüfung des Teilhabebedarfs verpflichtet. In diesem Rahmen hat er festzustellen, ob zur Deckung des Teilhabebedarfs gleichzeitig nicht nur das eigene, sondern auch das Leistungsspektrum eines anderen Rehabilitationsträgers tangiert wird – also ob wegen des Antrags gleichzeitig auch von einem anderen Rehabilitationsträger weitergehende Teilhabeleistungen zu gewähren sind, weil aufgrund des eigenen, rehabilitationsträgerspezifischen Leistungsspektrums noch ein ungedeckter Teilhabebedarf besteht, der durch Teilhabeleistungen (§ 5) eines anderen Rehabilitationsträgers gedeckt werden könnte (vgl. BSG, Urteile v. 21.8.2008, B 13 R 33/07 R, v. 20.10.2009, B 5 R 5/07 R, und v. 17.2.2010, B 1 KR 23/09). Ergeben sich in diesem Zusammenhang Anhaltspunkte für einen möglichen Rehabilitationsbedarf, prüft der nach § 14 leistende Rehabilitationsträger in Abstimmung mit dem Leistungsberechtigten die mögliche Rehabilitations- bzw. Teilhabebedürftigkeit auch unter Berücksichtigung des arbeits- und berufsbezogenen, pflegerischen sowie gesellschaftlichen Umfelds. Die Prüfung hat – abhängig vom jeweiligen Bedarf – möglichst unter dem Einsatz von Richt-/Leitlinien, Screening- bzw. Assessmentverfahren sowie strukturierten Befundberichten zu erfolgen.

Ergeben sich während der in § 14 Abs. 1 genannten Frist (z. B. bei Entgegennahme des Antrags, Sichtung der Antragsunterlagen, Beratungsgespräch) Anhaltspunkte für einen weiteren Rehabilitationsbedarf, der nicht vom Antrag erfasst wird, hat der nach § 14 zuständig gewordene Rehabilitationsträger unverzüglich dafür zu sorgen, dass der weitere Rehabilitations- bzw. Teilhabebedarf unmittelbar Gegenstand des durch den Antrag ausgelösten Verwaltungsverfahrens nach § 14 wird. Hierzu wirkt er unverzüglich auf eine entsprechende ergänzende Antragstellung hin (§§ 9 und 12), damit auch diese weitere Konkretisierung des Bedarfs in die Antragsbearbeitung einbezogen werden kann. Der ergänzte Antragsteil ist verpflichtend sofort entgegenzunehmen; die Leistungsberechtigten dürfen nicht auf andere Zuständigkeiten verwiesen werden (vgl. auch § 25 Abs. 1 der GE Reha-Prozess). Ergeben sich erst nach Ablauf der in § 14 Abs. 1 Satz 1 genannten Frist im Rahmen der Bedarfsermittlung Anhaltspunkte für einen Rehabilitations- bzw. Teilhabebedarf, der nicht vom Antrag umfasst ist, hat der leistende Rehabilitationsträger entsp...

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