0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Die Norm ist durch das Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) v. 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234) zum 1.1.2018 (Stufe 2) neu in Kraft getreten und setzt teilweise Art. 26 Abs. 1 der UN-BRK um. Sie besitzt weder eine Vorgängernorm im SGB IX noch BSHG. Ein Bezugspunkt besteht jedoch zu den gemeinsamen Servicestellen nach §§ 22, 23 SGB IX a. F. Diese sind gemäß der Übergangsregelung nach § 241 Abs. 7 zum 31.12.2018 weggefallen. Die Beratungs- und Unterstützungsleistung, welche die gemeinsamen Servicestellen bis dahin geleistet haben, wird von jetzt durch die unabhängige ergänzende Teilhabeberatung – finanziert vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), durchgeführt von den Ländern – teilweise aufgefangen. Der Inhalt der Norm ist vergleichbar mit der unabhängigen Patientenberatung nach § 65b SGB V oder auch mit dem Modellversuch zum Persönlichen Budget nach §§ 11, 29 SGB IX (Kohte, in: Feldes/Kohte, SGB IX, § 32 Rz. 3). Mit dem Gesetz zur Entlastung unterhaltsverpflichteter Angehöriger in der Sozialhilfe und in der Eingliederungshilfe (Angehörigen-Entlastungsgesetz) v. 10.12.2019 (BGBl. I S. 2135, BT-Drs. 19/13399 S. 2 ff.) wird mit Wirkung zum 1.1.2020 die ergänzende unabhängige Teilhabeberatung entfristet und dauerhaft durch den Bund finanziert. Gemäß § 32 Abs. 7 ist das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zuständig für die Umsetzung und Ausgestaltung; es erhält zudem die Ermächtigung zum Erlass von Verordnungen. Die Gesetzesbegründung zu diesen Änderungen findet sich in der BT-Drs. 19/13399 S. 2,4, 20 und 34 ff.

1 Allgemeines

 

Rz. 2

Ziel der Regelung ist es, bundesweit ein niedrigschwelliges, kostenloses Beratungsangebot über Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe zu installieren. Die Beratung soll dabei bereits im Vorfeld der Beantragung bzw. des Entstehens von möglichen Rehabilitations- und Teilhabeleistungen stattfinden und unabhängig von infrage kommenden Leistungserbringern und Rehabilitationsträgern erfolgen. Sie ist auch nicht an eine Mitgliedschaft oder Beitragspflicht geknüpft. Sie steht ergänzend und nicht konkurrierend zur gesetzlichen Beratungs- und Unterstützungspflicht der Rehabilitationsträger nach § 14 SGB I bzw. ihren Leistungsgesetzen. Die Rehabilitationsträger sind nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 verpflichtet, auf die ergänzende unabhängige Teilhabeberatung hinzuweisen, ebenso wie vor der Durchführung einer Teilhabekonferenz (§ 20 Abs. 3 Satz 3). Mit dem zum 01.01.2020 in Kraft getretenen 2. Teil des SGB IX sind der Träger der Eingliederungshilfe gemäß § 106 Abs. 4 SGB IX aufgefordert, auf die ergänzende unabhängige Teilhabeberatung hinzuweisen. Für den Aufbau entsprechender Anlaufstellen sollen bestehende Strukturen, insbesondere die der Bundesländer, genutzt und ausgebaut werden (BT-Drs. 18/9522 S. 193). Das gescheiterte Konzept der gemeinsamen Servicestellen nach den §§ 22, 23 SGB IX a. F. wird mit §§ 12 und 32 neu überdacht und fortentwickelt (BT-Drs. 18/9522 S. 196). Der Gesetzgeber berichtet im Allgemeinen Teil zum Angehörigen-Entlastungsgesetz, dass seit dem Jahr 2018 bereits über 500 Bewilligungen zur Förderung von Beratungsangeboten erteilt worden sind.

Die Rechtsvorschrift setzt mit Abs. 3 die Verpflichtung der Vertragsstaaten aus Art. 26 Abs. 1 Satz 1 UN-BRK um. Danach sollen in die Rehabilitations- und Teilhabeberatung Menschen mit Behinderungen einbezogen werden ("peer support" oder "peer counseling" genannt). Sie verfügen aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen oft über das erforderliche Wissen, welche Maßnahmen und Hilfsmittel sich bewährt haben.

Mit diesem Beratungsangebot soll auch die Stellung der Leistungsberechtigten im sozialrechtlichen Dreieck gegenüber dem Leistungsträger und Leistungserbringer gestärkt werden, wodurch zugleich dem Empowermentansatz Rechnung getragen wird (BT-Drs. 18/9522 S. 246). Sie stärkt damit insgesamt die Eigenverantwortung und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen und setzt die UN-BRK um (www.teilhabeberatung.de).

2 Rechtspraxis

2.1 Inhalt der ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (Abs. 1 und 2)

 

Rz. 3

Ziel der Beratung ist es, Menschen mit Behinderungen und von Behinderung bedrohte Menschen sowie ihre Angehörigen dabei zu unterstützen, ihre Rechte auf Chancengleichheit, Selbstbestimmung, eigenständige Lebensplanung und individuelle Teilhabeleistungen verwirklichen zu können (BT-Drs. 19/13399 S. 20). Durch das BTHG wurde das SGB IX unter anderem gestrafft und neu strukturiert. Neben neuen Leistungsgruppen wie z. B. "Teilhabe an Bildung" und "Leistungen zur sozialen Teilhabe" besitzt der Leistungskatalog nun eine deutlich verbesserte Transparenz. Dennoch besteht aufgrund der zahlreichen individuellen Leistungen ein erhöhter Beratungsbedarf. Diesen soll die ergänzende trägerunabhängige Teilhabeberatung sicherstellen. Ihr Inhalt erstreckt sich damit hauptsächlich auf die Leistungen nach dem SGB IX und soll im Vorfeld der Beantragung erfolgen. Der Hinweis auf weitere Beratungsstellen, wie z. B. nach § 29 Abs. 1 SGB III (Arbeitsmarktberatung), § 30 SGB III (B...

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