Rz. 23

Der erstangegangene Träger ist nicht in der gleichen Weise schutzwürdig wie der zweitangegangene Träger i. S. d. § 16. Er ist nämlich nicht einer "aufgedrängten" Zuständigkeit aus § 14 Abs. 1 ausgesetzt, der er sich nicht zu entziehen vermag, sondern kann vielmehr seine Zuständigkeit prüfen und verneinen. Gleichwohl sind ausnahmsweise Fallkonstellationen denkbar, in denen sich der erstangegangene Rehabilitationsträger trotz des ihm eingeräumten Prüfungs- und Ablehnungsrechts einem Leistungszwang ausgesetzt sieht, der demjenigen des zweitangegangenen Trägers vergleichbar ist (vgl. auch BSG, Urteil v. 25.9.2014, B 8 SO 7/13 R). In diesen Fällen ist es gerechtfertigt, dem erstangegangenen Träger mit §§ 102 ff. SGB X – ebenso wie dem zweitangegangenen Träger mit § 16 SGB IX – einen privilegierten Erstattungsanspruch zuzubilligen, dessen Umfang sich nach den für ihn geltenden Vorschriften richtet (BSG, Urteil v. 20.10.2009, B 5 R 44/08 R, in Fortentwicklung des Urteils v. 26.6.2007, B 1 KR 34/06 R).

§ 16 schließt deshalb nicht aus, dass der nicht rechtzeitig weiterleitende Rehabilitationsträger im Innenverhältnis nicht doch einen Ausgleichsanspruch gegenüber dem ursprünglich zuständigen Rehabilitationsträger haben kann – nämlich dann, wenn er trotz sorgfältiger Prüfung seiner Zuständigkeit (zum Zeitpunkt der Zuständigkeitsprüfung) von seiner eigenen Zuständigkeit ausgehen konnte – ihn also an dem Fristversäumnis kein Verschulden trifft. Das ist z. B. der Fall,

  1. wenn der erstangegangene Rehabilitationsträger von der Weiterleitung des Antrages absieht, weil zum Zeitpunkt der Prüfung der eigenen Zuständigkeit nach § 14 Abs. 1 Satz 3 Anhaltspunkte für eine Zuständigkeit auf Grund der Ursache der Behinderung bestanden haben (§ 16 Abs. 4 Satz 2; vgl. auch Ausführungen zu Rz. 21), oder
  2. wenn nach der Bewilligung der Teilhabeleistung ein Ereignis die reguläre, ursprüngliche Leistungsverpflichtung des erstangegangenen Rehabilitationsträgers nachträglich aufhebt und die Zuständigkeit eines anderen Rehabilitationsträgers begründet wird (z. B. Bewilligung eines Antrags auf Rehabilitationsleistungen durch den Rentenversicherungsträger als erstangegangener Rehabilitationsträger; während der Rehabilitationsleistung stellt der Versicherte einen Antrag auf eine rückwirkend beginnende Altersrente; nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI wird dadurch die Leistungsverpflichtung des Rentenversicherungsträgers rückwirkend ausgeschlossen; in diesen Fällen besteht ein Erstattungsanspruch nach § 103 SGB X (vgl. auch Bay. LSG, Urteil v. 27.2.2014, L 4 KR 460/11; Einzelheiten vgl. auch Rz. 27 f.), oder
  3. wenn der Versicherte bei der Antragstellung unzutreffende Angaben gemacht hat (z. B. Versicherter hat beim Antrag ein Kreuz an der falschen Stelle gesetzt; Ausschlussgrund nach § 12 SGB VI hätte bejaht und nicht verneint werden dürfen). Da hier kein rückwirkendes Ereignis vorliegt, besteht der Erstattungsanspruch nicht nach § 103 SGB X, sondern nach § 104 SGB X. Dieser Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X besteht auch, wenn der Rentenversicherungsträger zu seinen Lasten als erstangegangener Rehabilitationsträger eine Teilhabeleistung durchführt und der Rehabilitand nach Bewilligung der Teilhabeleistung einen Antrag auf (eine nicht rückwirkend beginnende) Altersrente stellt. Durch die fehlende Rückwirkung bzw. durch die fehlende Nachträglichkeit des Ausschlussgrundes ist der grundsätzlich vorrangige § 104 SGB X nicht anzuwenden. Einzelheiten vgl. Rz. 29.

Bei allen Fallgestaltungen entsteht somit kein Erstattungsanspruch nach § 16 SGB IX, sondern nach den §§ 102 ff. SGB X (vgl. BSG, Urteile v. 21.8.2008, B 13 R 33/07 R, v. 26.6.2007, B 1 KR 34/06 R, v. 20.10.2009, B 5 R 44/08 R, und v. 13.9.2011, B 1 KR 25/10 R).

Voraussetzung bei den Fallgestaltungen b) und c) ist, dass der erstangegangene Rehabilitationsträger aufgrund der zum Zeitpunkt des Verwaltungsaktes (Bescheiderteilung) vorliegenden Unterlagen und Angaben des Versicherten bzw. anderer Beteiligter trotz sorgfältiger Prüfung davon ausgehen konnte, dass seine Zuständigkeit gegeben ist. Das Wort sorgfältig steht hierbei für gewissenhaft, korrekt, bedächtig, überlegt, richtig gehandelt.

 

Rz. 24

Der Vollständigkeit halber weißt der Autor darauf hin, dass der erstangegangene Rehabilitationsträger bei einer zusätzlichen Fallgestaltung noch einen Erstattungsanspruch haben kann – nämlich dann, wenn der erstangegangene Rehabilitationsträger einen anderen Rehabilitationsträger i. S. d. § 15 Abs. 2 beteiligt hat und für diesen Leistungen bewilligte und übernahm. In diesen Fällen besteht der Erstattungsanspruch des erstangegangenen Rehabilitationsträgers wegen der für den beteiligten Rehabilitationsträger erbrachten Leistungen nach § 16 Abs. 2 und 3 (vgl. Rz. 7).

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