Rz. 23

Grundsätzlich obliegt die Festlegung des Zeitpunkts des Inkrafttretens einer Vereinbarung den Vertragspartnern, im Konfliktfall der Schiedsstelle. Allerdings haben diese den gesetzlichen Rahmen in Abs. 3 zu beachten. Ein auf vergangene Zeiträume rückwirkendes Inkrafttreten der Leistungsvereinbarung ist möglich. Für die Vergütungsvereinbarung schließt Abs. 3 Satz 5 ein rückwirkendes Inkrafttreten aber aus. Diese kann in den Vergütungsvereinbarungen frühestens ab Abschluss der Vereinbarung oder mit dem Tag, an dem der Antrag (oder ein geänderter Antrag) bei der Schiedsstelle eingegangen ist, festgelegt werden.

Hintergrund ist die Vermeidung einer Umgehung des in § 123 Abs. 2 Satz 3 festgelegten Prinzips der prospektive Vergütungsvereinbarung, das nicht durch abweichende rückwirkende Vereinbarungen ausgehebelt werden soll (vgl. Freudenberg, in: Jung, SGB XII, § 77 Rz. 27).

Die neue Fassung in Abs. 3 Satz 5 (im Vergleich zu § 77 Abs. 2 Satz 3 SGB XII i. d. F. bis 31.12.2019) korrigiert vor diesem Hintergrund insoweit das BSG (Urteile v. 28.10.2008, B 8 SO 22/07 R, Rz. 30, BSGE 102 S. 1, und v. 23.7.2014, B 8 SO 2/13, Rz. 18, BSGE 116 S. 227), das zu § 77 Abs. 2 Satz 3 SGB XII entschieden hatte, dass das Rückwirkungsverbot nur für den Fall gelte, in dem keine Festlegung des Zeitpunkts des Inkrafttretens erfolgt ist und damit die Vertragsautonomie der Beteiligten bzw. die Gestaltungsfreiheit der Schiedsstelle während der laufenden Verhandlungen bzw. während des Schiedsstellenverfahrens nicht eingeschränkt sei. Nunmehr ist klargestellt, dass in keinem Fall ein rückwirkendes Inkrafttreten einer Vereinbarung oder Festsetzung der Schiedsstelle zulässig ist (was der Intention des Gesetzgebers entspricht, so die Begründung Regierungsentwurf BTHG, BR-Drs. 428/16 S. 303 f.; kritisch: Fix/Bumann, neue caritas 5/2017 S. 50, 52).

 

Rz. 24

Für den Fall, dass die Vertragsparteien oder die Schiedsstelle keinen Zeitpunkt für die Wirkung festlegen, regelt Abs. 3 Satz 2 bis 4 das Inkrafttreten. Danach wird die Vereinbarung mit dem Tag ihres Abschlusses wirksam. Festsetzungen der Schiedsstelle werden rückwirkend mit dem Tag wirksam, an dem der Antrag bei der Schiedsstelle eingegangen ist. Sollte der Antrag während des Schiedsstellenverfahrens geändert worden sein, ist auf den Tag abzustellen, an dem der geänderte Antrag bei der Schiedsstelle eingegangen ist.

Der Tag, an dem der Antrag bei der Schiedsstelle eingegangen ist, sollte wegen der Bedeutung für den Zeitpunkt des Inkrafttretens formal gesehen werden. Der Ansicht von Zeitler, wonach der Zeitpunkt des Eingangs eines Antrags, der die Anforderungen an die Begründung nicht erfülle, erst dann feststehe, wenn der Antrag entscheidungsfähig ist (Zeitler, RsDE (2003) Nr. 53 S. 1, 16 f.), ist nur zuzustimmen, wenn dieser Zeitpunkt ausdrücklich von der Schiedsstelle festgestellt wird. Ansonsten ist auf den rein formalen Eingang des Antrags bei der Geschäftsstelle der Schiedsstelle abzustellen.

Regelungen zur Laufzeit der Vereinbarungen sieht das Vertragsrecht der Eingliederungshilfe nicht vor. Diese können auf unbestimmte Zeit abgeschlossen werden, wobei die Einräumung eines ordentlichen Kündigungsrechts in den Vereinbarungen geregelt werden sollte (vgl. zur Kündigungsproblematik Komm. zu § 130 SGB Rz 6). Nach Ablauf einer vereinbarten Laufzeit gilt die bestehende Vergütungsvereinbarung oder die durch die Schiedsstelle festgesetzte Vergütung bis zum Inkrafttreten einer neuen Vergütungsvereinbarung fort (§ 127 Abs. 4). Für die Leistungsvereinbarung ist keine Fortbestandsregelung vorgesehen. Diese kann auch mit Rückwirkung in Kraft gesetzt werden. Gottlieb rät zu einem Antrag an die Schiedsstelle auf Laufzeitfestsetzung und spricht sich dafür aus, dass die Schiedsstelle auch ohne Antrag im Rahmen des Gestaltungsermessens eine Laufzeit festsetzen könne (Gottlieb, Anm. zu BSG, Urteil v. 7.10.2015, B 8 SO 1/14 R, SGb 2017 S. 104, 109).

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