Rz. 22

Die Schiedsstellensprüche werden von den Sozialgerichten nur eingeschränkt überprüft. Aufgabe der Schiedsstelle ist, Kompromisse zwischen den Vertragsparteien auszuloten. Daher kommt der Schiedsstelle für ihre Bewertungen und Beurteilungen vor allem im Rahmen der unbestimmten Rechtsbegriffe in den §§ 123 ff. (Geeignetheit des Leistungserbringers, Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit, Leistungsfähigkeit) eine Einschätzungsprärogative zu (Neumann, in: Hauck/Noftz, SGB XII, § 77 Rz. 38). Hingegen kritisch Kulenkampff (Rechtsdienst 4/2016 S. 174, 176), der unter Berufung auf das Urteil des LSG Hessen (v. 27.1.2011, L 8 P 29/08 KL, Rz. 39, Sozialrecht aktuell 2011 S. 188, Urteil aufgehoben durch BSG, Urteil v. 12.9.2012, B 3 P 5/11 R, BSGE 112 S. 1) feststellt, Maßstab sei auch für Schiedsstellensprüche der normale Maßstab einer umfassenden richterlichen Überprüfung. Dieser Prüfungsmaßstab habe wegen der nur begrenzten Amtsermittlungspflicht der Schiedsstelle und dem Beschleunigungsgebot in Abs. 2 Satz 2 eine Ausgleichsfunktion.

Die Gerichte haben sich bei der Überprüfung der dem Schiedsspruch zugrunde liegenden Abwägung zwischen den betroffenen öffentlichen und privaten Belangen auf die Feststellung zu beschränken, ob die Schiedsstelle die widerstreitenden Interessen der Vertragsparteien ermittelt, alle für die Abwägung erforderlichen tatsächlichen Erkenntnisse gewonnen und die Abwägung in einem fairen Verfahren frei von Einseitigkeit vorgenommen hat (vgl. Begründung Regierungsentwurf BTHG, BR-Drs. 428/16 S. 303 unter Hinweis auf das Grundsatzurteil des BVerwG, Urteil v. 1.12.1998, 5 C 17/97, Rz. 20, BVerwGE 108 S. 47). In einer neueren Entscheidung präzisiert das BSG den Ansatz, wonach Gerichte lediglich nachprüfen, ob der Sachverhalt zutreffend ermittelt ist, die verfahrensrechtlichen Regelungen eingehalten sind und die Schiedsstelle ihren Gestaltungsspielraum nicht verkannt hat (BSG, Urteil v. 23.7.2014, B 8 SO 2/13 R, Rz. 14, BSGE 116 S. 227, und BSG, Urteil v. 23.7.2014, B 8 SO 3/13 R, Rz. 20, BSGE 116 S. 233). Eine Schiedsstellenentscheidung ist jedenfalls dann aufzuheben, wenn die Schiedsstelle innerhalb der Entscheidung von selbst gesetzten Festlegungen abweicht und damit zu einem Ergebnis kommt, dass mit den eigenen Grundannahmen nicht vereinbar ist (LSG Hamburg, Urteil v. 30.10.2012, L 4 SO 33/10 KL, Rz. 38, juris).

Fehler im Bestellungsverfahren der Mitglieder der Schiedsstelle (§ 133 Abs. 2) sind nur beachtlich, wenn sie bekannt waren oder bekannt sein mussten und im Schiedsverfahren rechtzeitig gerügt wurden (vgl. Jaritz/Eicher, in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 80 Rz. 21).

Die Bestellung einer an den Vertragsverhandlungen beteiligten Person zum Schiedsstellenmitglied für die Bank der Eingliederungshilfeträger ist per se kein Besetzungsfehler, da eine Besetzung der Schiedsstelle mit sachkundigen Interessenvertretern gewollt ist. Soweit Anhaltspunkte bestehen, dass das betreffende Schiedsstellenmitglied entgegen der in § 133 Abs. 4 Satz 2 geregelten Amtspflicht offensichtlich auf Weisung der entsendenden Organisation agiert, kann allerdings die Besorgnis der Befangenheit (§ 17 SGB X) geltend gemacht werden (vgl. Jaritz/Eicher, in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 80 Rz. 21), was wiederum gerichtlich überprüfbar ist (BSG, Urteil v. 7.10.2015, 8 SO 21/14 R, Rz. 12, BSGE 120 S. 51).

Hat die Anfechtungsklage Erfolg, ist nach Aufhebung des Schiedsspruchs das Schiedsverfahren wieder eröffnet, so dass es einer Zurückverweisung des Rechtsstreits an die Schiedsstelle nicht bedarf (BSG, Urteil v.23.7.2014, B 8 SO 3/13 R, Rz. 12, BSGE 116 S. 227; LSG Schleswig-Holstein, Urteil v. 30.7.2014, L 9 SO 11/12 KL, Rz. 39, ZFSH/SGB 2014 S. 773). Da die Schiedsstelle selbst nicht verklagt werden (Abs. 2 Satz 4) und folgerichtig auch nicht gemäß § 131 Abs. 3 SGG zu einer neuen Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verurteilt werden kann, hat eine Aufhebung des Schiedsstellenspruchs gleichwohl Folgen für die Vertragsparteien. Diese (und abgeleitet die Schiedsstelle) sind im Rahmen der Rechtskraft der Entscheidung (§ 141 SGG) unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens des § 131 Abs. 3 SGG an die Begründung der Aufhebung gebunden (BSG, Urteil v. 23.7.2014, B 8 SO 3/13 R, Rz. 14, BSGE 116 S. 233).

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