0 Rechtsentwicklung

0.1 Bisheriges Recht

 

Rz. 1

Unmittelbarer Vorläufer der Regelungen in § 124 SGB IX ist § 75 Abs. 2 und 3 SGB XII i. d. F. bis 31.12.2019 der wiederum mit Wirkung zum 1.1.2005 § 93 Abs. 2 und 3 BSHG abgelöst hat. Die Bestimmungen über die persönliche Eignung des Fach- und Betreuungspersonals sind bereits mit Wirkung zum 1.1.2017 in das allgemeine Vertragsrecht der Sozialhilfe aufgenommen worden (§ 75 Abs. 2 Satz 3 bis 8 SGB XII i. d. F. des Art. 11 BTHG ab 1.1.2020).

0.2 Vergleich zum Vertragsrecht des Zehnten Kapitels SGB XII ab 1.1.2020

 

Rz. 2

§ 124 entspricht § 75 Abs. 2 und 3 SGB XII i. d. F. des Art. 13 BTHG ab 1.1.2020.

0.3 Begrenztes Inkrafttreten zum 1.1.2018 – vollständiges Inkrafttreten zum 1.1.2020

 

Rz. 3

§ 124 tritt zwar bereits zum 1.1.2018 in Kraft. Ihre volle Wirksamkeit entfaltet die Regelung aber erst mit Inkrafttreten der Strukturreform der Eingliederungshilfe (neu) zum 1.1.2020. Im Zeitraum 2018 und 2019 bildet die Vorschrift nur eine Ermächtigungsgrundlage neue Verträge mit Wirkung zum 1.1.2020 vorzubereiten und abzuschließen (vgl. Komm. zu § 123).

1 Allgemeines

 

Rz. 4

§ 124 regelt die Kriterien für geeignete Leistungserbringer und deren Auswahl und gehört zum besonderen Vertragsrechts der Eingliederungshilfe in Teil 2 des Achten Kapitels SGB IX. Abs. 1 enthält darüber hinaus das bereits im Sozialhilferecht existente Prinzip eines Vorrangs der Leistungserbringung durch vorhandene geeignete Leistungserbringer (§ 75 Abs. 2 Satz 1 SGB XII i. d. F. bis 31.12.2019).

1.1 Überblick zu den Regelungen des § 124

 

Rz. 5

Abs. 1 Satz 1 überträgt das Prinzip des Vorrangs der Leistungserbringung durch geeignete gemeinnützige oder gewerbliche Leistungserbringer, soweit diese vorhanden sind (§ 75 Abs. 2 Satz 1 SGB XII i. d. F. bis 31.12.2019) auf das Vertragsrecht der Eingliederungshilfe. Satz 2 regelt in Erweiterung der bisherigen Regelung in § 75 Abs. 2 Satz 2 SGB XII (i. d. F. bis 31.12.2019), wann ein Leistungserbringer i. S. v. Satz 1 geeignet ist (externer Vergleich, Bezahlung tariflich vereinbarter Vergütungen nicht unwirtschaftlich).

Abs. 2 Satz 1, 2 und 9 enthält spezifische fachliche Anforderungen an das Personal und berücksichtigt, dass die Leistungen der Eingliederungshilfe von unterschiedlicher Zielrichtung und damit einhergehend auch unterschiedlich in der konkreten Ausführung sein können.

Abs. 2 Satz 3 bis 8 entspricht § 75 Abs. 2 Satz 3 bis 8 SGB XII i. d. F. Art. 11 BTHG mit Wirkung zum 1.1.2017. Es werden die persönliche Eignung des Fach- und Betreuungspersonals konkretisiert und die Überprüfung der Geeignetheit mit Blick auf mögliche Straftaten gegen die sexuelle und persönliche Selbstbestimmung angeordnet.

Abs. 3 entspricht § 75 Abs. 2 Satz 9 SGB XII i. d. F. des Art. 11 BTHG mit Wirkung zum 1.1.2017 und regelt den Auswahlfall, bei dem mehrere Leistungserbringer geeignet i. S. d. Abs. 1 und 2 sind.

2 Rechtspraxis

2.1 Vorrang geeigneter externer Leistungserbringer (Abs. 1 Satz 1) – Sicherstellungsauftrag § 95

 

Rz. 6

Die Träger der Eingliederungshilfe sollen – wie bisher schon die Träger der Sozialhilfe – zur Erfüllung ihrer Aufgaben eigene Leistungserbringer nicht neu schaffen, soweit geeignete Leistungserbringer anderer Träger vorhanden sind (vgl. Begründung Regierungsentwurf BTHG, BR-Drs. 428/16 S. 300).

Im Gegensatz zum Recht bis zum 31.12.2019 verzichtet der Gesetzgeber auf den Zusatz, wonach der Vorrang geeigneter externer Leistungserbringer auch gilt, wenn geeignete Leistungserbringer ausgebaut oder geschaffen werden können. Dieser Zusatz fehlt auch im Vertragsrecht des allgemeinen Sozialhilferechts ab 2020 (§ 75 Abs. 2 Satz 1 SGB XII i. d. F. des Art. 13 BTHG ab 1.1.2020). Damit entfällt der zum alten Recht vertretene Ansatz einer umfassenden Gewährleistungsverpflichtung/Gewährleistungsverantwortung für Leistungsangebote in Anknüpfung an § 17 SGB I, wonach der Sozialleistungsträger verpflichtet ist, darauf hinzuwirken, dass die Berechtigten die ihnen zustehenden Sozialleistungen umfassend und zügig erhalten (Freudenberg, in: Jung, SGB XII, § 75 Rz. 16; Neumann, in: Hauck/Noftz, SGB XII, § 75 Rz. 12). Der Gesetzgeber hat an die Träger der Eingliederungshilfe vielmehr einen Sicherstellungsauftrag adressiert, wonach diese im Rahmen ihrer Leistungsverpflichtung eine personenzentrierte Leistung für Leistungsberechtigte unabhängig vom Ort der Leistungserbringung sicherzustellen haben (Sicherstellungsauftrag; § 95). Mit § 94 Abs. 4 wird zur Förderung und Weiterentwicklung der Strukturen der Eingliederungshilfe flankierend die Bildung einer Landesarbeitsgemeinschaft, denen auch Vertreter der Leistungserbringer und der Verbände für Menschen mit Behinderungen angehören, vorgeschrieben. Damit erhalten die Träger der Eingliederungshilfe wieder einen größeren Freiheitsgrad, wie sie dieser Verpflichtung nachkommen. Dies kann auch durch die Gewähr von Investitionsmitteln zum Ausbau oder der Schaffung geeigneter Leistungserbringer erfolgen (zur Problematik der Vereinbarkeit der bisherigen Regelung mit dem Schutz des Kernbereichs der kommunalen Selbstverwaltung in Art. 28 Abs. 2 GG vgl. Freudenberg, in: Jung, SGB XII, § 75 Rz. 20 f.).

Die Feststellung, dass im Bereich des Trägers der Eingliederungshilfe geeignete Leistungserbringer vorhanden sind, erfolgt nach den Kriterien in § 124. Sind geeignete externe Leistungserbringer i. S. d. § 124 vorhanden, so...

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