Rz. 31

In Abs. 3 werden Beispiele ("insbesondere") aufgeführt, wann ein unabwendbares Ereignis i. S. v. Abs. 1 Nr. 1 vorliegt. Abs. 3 bestimmt also Fälle, bei denen trotz Nichtvorliegens wirtschaftlicher Gründe für den Arbeitsausfall dennoch Kug gewährt werden kann. Danach liegt ein unabwendbares Ereignis insbesondere dann vor, wenn ein Arbeitsausfall auf ungewöhnlichen, dem üblichen Witterungsverlauf nicht entsprechenden Witterungsgründen beruht, Abs. 3 Satz 1. "Ungewöhnlich" sind Witterungsverhältnisse, die unter Berücksichtigung der regionalen klimatischen Gegebenheiten außergewöhnlich sind, die vom üblichen Wetterverlauf abweichen (Bieback, in: BeckOK, SGB III, § 96 Rz. 10; ders., in: Gagel, SGB III, § 96 Rz. 48). Deutliche Abweichungen des Witterungsverlaufs von den langfristigen Wetteraufzeichnungen und Prognosen genügen. Beispiele hierfür sind u. a. außergewöhnliches Hochwasser, lang anhaltender Frost, hohe Schneelage, Überschwemmung, außergewöhnliche Hitze oder andauernde Trockenheit/Dürre. Nicht dagegen zu den Witterungsverhältnissen i. S. v. Abs. 3 Satz 1 gehören solche Arbeitsausfälle, die in den Wintermonaten eintreten und unmittelbar oder mittelbar durch normalen Witterungsverlauf verursacht sind. So stellen Schneefälle für Betriebe im Gebirge, Niederschlag in der Landwirtschaft oder Nebel für Speditionen keine unabwendbaren Ereignisse dar (Beispiele nach Mutschler, in: Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, SGB III, § 96 Rz. 23). Abs. 3 Satz 1 betrifft Arbeiten im Freien (z. B. auf Werften, am Bau sowie der Land- und Forstwirtschaft). Voraussetzung für die Anwendbarkeit von Abs. 3 sind nicht außergewöhnliche Witterungsergebnisse, es ist ausreichend, wenn der Witterungsverlauf ungewöhnlich ist. Hierzu genügt es, wenn die aktuelle Wetterlage sich im Hinblick auf Niederschlagsmengen, Windstärken oder Temperaturen signifikant von dem gewöhnlichen Witterungsverlauf unterscheidet (Mutschler, in: Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, SGB III, § 96 Rz. 24).

 

Rz. 32

Ebenfalls nicht unter Abs. 3 Satz 1 fällt die Nichterreichbarkeit des Betriebes wegen außergewöhnlicher witterungsbedingter Verkehrsstörungen. Denn derartige Witterungsverhältnisse bewirken nicht unmittelbar beim Betrieb den Arbeitsausfall. In diesen Fällen muss aber differenziert werden, ob der Betrieb von den Arbeitnehmern wegen außergewöhnlicher Witterungsbedingungen nicht erreicht werden kann (z. B. wegen Verkehrsstörungen) oder ob im Betrieb wegen der Witterungsbedingungen nicht produziert und gearbeitet werden kann. Anspruch auf Kug besteht nur im letzteren Fall.

 

Rz. 33

Im Bereich der Binnenschifffahrt auf Kanälen und gestauten Flüssen ist ein Arbeitsausfall mit witterungsbedingten Fahrunterbrechungen durch Eisbildung von 20 Kalendertagen den üblichen Witterungserscheinungen zuzuordnen und nicht durch Kug ausgleichsfähig. Bei einer Unterbrechung der Schifffahrt durch Hochwasser kann es nur dann zur Anerkennung eines unabwendbaren Ereignisse führen, wenn das Hochwasser das Maß übersteigt, das im langjährigen Mittel als üblich anzusehen ist (Fachliche Weisungen der BA zu § 97, Stand: 12/2018). 

 

Rz. 34

Nach Abs. 3 Satz 2 liegt ein unabwendbares Ereignis auch dann vor, wenn ein Arbeitsausfall durch behördliche oder behördlich anerkannte Maßnahmen verursacht ist, die vom Arbeitgeber nicht zu vertreten sind. Diese Voraussetzung liegen auch dann vor, wenn ein Verwaltungsverfahren überlang andauert (Bay. LSG, Urteil v. 18.1.1979, L 9 Al 204/77; Mutschler, in: Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, SGB III, § 96 Rz. 8). Eine abstrakt-generelle Regelung ist keine behördliche Maßnahme nach Abs. 3 Satz 2 (Kühl, in: Brand, SGB III, § 96 Rz. 25). Unter Abs. 3 Satz 2 fallen Maßnahmen die nicht speziell gegen den betroffenen Betrieb gerichtet sind, sondern allgemeiner Natur sind (z. B. Straßensperren, Einschränkungen der Gas-, Strom- und Wasserversorgung, Einschränkungen wegen Umweltschutzmaßnahmen wie Smog-Alarm). Wenn allerdings zum Schutz für Umwelt und Bevölkerung die Einschränkung oder Stilllegung aufgrund betriebsspezifischer Gefährlichkeit des Betriebes behördlich angeordnet wird, prüft die Bundesagentur für Arbeit besonders, ob die durch die Verwendung riskanter Technologien bedingten Produktionsausfälle nicht dem spezifischen Betriebsrisiko zuzuordnen sind (Fachliche Weisungen der BA zu § 96, Stand: 12/2018). Voraussetzung für die Anwendung von Abs. 3 in diesen Fällen ist, dass der Arbeitgeber die behördliche Anordnung nicht zu vertreten hat (Bieback, in: BeckOK, SGB III, § 96 Rz. 11a).

 

Rz. 35

Zu den in Abs. 3 nicht aufgeführten, aber den dort aufgeführten Beispielen in der Wertung vergleichbaren Gründen für einen Arbeitsausfall gehören Unglückfälle (Bieback, in: BeckOK, SGB III, § 96 Rz. 12). Gemeint sind Brände (BSG, Urteil v. 21.2.1991, 7 Rar 20/90). Explosionen oder Infektionen. Ein über Jahre kontinuierlicher Absatzrückgang eines Produkts stellt kein unabwendbares Ereignis i. S. v. Abs. 3 dar (BSG, Urteil v. 15.12.2005, B 7a AL 10/05 R).

 

Rz. 36

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