Rz. 11

Abs. 2 legt den Vermittlungsvorrang auch gegenüber den sonstigen Leistungen der aktiven Arbeitsförderung fest. Das bedeutet, dass der nach Abs. 1 vorgesehene Vorrang den Agenturen für Arbeit die Förderung von Arbeitnehmern nicht freistellt. Der Vorrang muss im Verhältnis zu den sonstigen Leistungen stehen, weil die Vermittlung selbst zur aktiven Arbeitsförderung gehört. Der Vorrang folgt allein fiskalischen Erwägungen. Er gibt den Agenturen für Arbeit auf, nach Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit zu handeln. Eine Leistung der aktiven Arbeitsförderung darf daher nicht erbracht werden, wenn eine berufliche Eingliederung auch allein durch Vermittlung erreicht werden kann.

 

Rz. 12

Zu den nachrangigen Leistungen der aktiven Arbeitsförderung gehören insbesondere auch Entgeltersatzleistungen, die zur Bestreitung des Lebensunterhaltes bestimmt sind wie z. B. das Kurzarbeitergeld. Für diese Entgeltersatzleistungen ist allerdings charakteristisch, dass sie Arbeitslosigkeit gerade nicht voraussetzen, sondern vermeiden.

 

Rz. 13

Aus dem Vorrang des § 4 darf nicht gefolgert werden, dass etwaige Rechtsansprüche auf Leistungen verweigert werden dürften. Es ist weder zulässig, die Bewilligung von Alg als Leistung zum Lebensunterhalt zurückzustellen, bis alle Möglichkeiten einer Vermittlung i. S. d. Abs. 1 ausgeschöpft sind noch unter Hinweis auf Vermittlungsmöglichkeiten einen Antrag auf Alg abzulehnen. Vielmehr enthält die Vorschrift handlungsleitende Regeln für die Agenturen für Arbeit, aus denen leistungseinschränkende Befugnisse oder eine zusätzliche Anspruchsvoraussetzung nicht abgeleitet werden können. Insofern darf auch nicht auf die Möglichkeit verwiesen werden, vorübergehend Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende in Anspruch zu nehmen.

 

Rz. 14

Abs. 2 schränkt den Vorrang der Vermittlung vor den anderen Leistungen zur aktiven Arbeitsförderung in den Fällen ein, in denen die andere Leistung für die berufliche Eingliederung erforderlich ist. In solchen Fällen besteht der Vorrang der Vermittlung nicht.

 

Rz. 15

Relevant ist in diesem Zusammenhang allein das finale Ziel der beruflichen Eingliederung. Der Vorrang wird auch aufgehoben, wenn die berufliche Eingliederung nur befristet erreicht wird. Dagegen genügt es nicht, wenn durch die Leistung der aktiven Arbeitsförderung die Reintegration nur unterstützt wird, aber letztlich dann doch nicht gelingt. Die Ablehnung eines Gründungszuschusses nach § 93 mit der Begründung, vorrangig vor der Selbstständigkeit sei die Erfolg versprechende Vermittlung in ausreichend vorhandene abhängige Beschäftigungsverhältnisse (gewesen), ist ermessensfehlerhaft, wenn in einer Eingliederungsvereinbarung als Eingliederungsziel die selbstständige Tätigkeit festgelegt wurde und die Agentur für Arbeit sich darin ausdrücklich nicht zur Vermittlung verpflichtet hat sowie bis zur Aufnahme der Selbstständigkeit erkennbar auch so verfahren hat (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 28.2.2014, L8 AL 1515/13). Gleichwohl kann auch dann eine Förderung mit einem Gründungszuschuss ausscheiden, wenn dieser nicht für eine dauerhafte Eingliederung in eine Erwerbstätigkeit erforderlich ist.

 

Rz. 16

Ob mit der Leistung eine berufliche Eingliederung erreicht wird, ist zunächst eine Tatsachenbeurteilung. So kann z. B. die Eingliederung anhand eines geschlossenen Arbeitsvertrages beurteilt werden, der bei Gewährung eines Eingliederungszuschusses zustande kommt. Zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit mit einem Gründungszuschuss können ggf. bereits zurückgelegte Tätigkeiten (als Student), eine Tätigkeit mit Übernahme des Kundenstamms und auch Tätigkeiten am früheren Arbeitsort (z. B. eine Rechtsanwaltskanzlei) herangezogen werden. Im Übrigen bedarf es einer Prognoseentscheidung des Arbeitsvermittlers.

 

Rz. 17

Ob eine neben der Vermittlung zu erbringende Leistung der aktiven Arbeitsförderung zur beruflichen Eingliederung erforderlich ist, bedarf ebenfalls einer abwägenden Entscheidung des Arbeitsvermittlers oder Fallmanagers. Zutreffend ist die Erforderlichkeit ein Anforderungsmerkmal, das dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit behördlichen Handelns entstammt. Erforderlichkeit geht über die Eignung hinaus, allein die Förderung des verfolgten Zwecks reicht nicht aus. Erforderlichkeit liegt also dann vor, wenn ansonsten eine berufliche Eingliederung nicht erreicht werden kann. Das kann auch auf die Sicherung des Lebensunterhaltes bezogen werden. Daneben ist zu beachten, dass ein angemessenes Verhältnis zum verfolgten Zweck bestehen muss. Unter diesem Aspekt kann dann auch darauf verzichtet werden, den Vorrang nur für den Fall einer prognostisch dauerhaften beruflichen Eingliederung aufzuheben.

 

Rz. 17a

Kraft Gesetzes gilt der Vorrang des Abs. 2 seit dem 1.1.2023 nicht mehr in Bezug auf den Gründungszuschuss, wodurch der Zugang zu diesem im Hinblick auf die Eingliederung erfolgsträchtigen Leistung erleichtert wird.

 

Rz. 18

Für die Praxis ist von Bedeutung, dass § 4 noch den allgemeinen Vorschriften des SGB III zuzuordnen...

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