Rz. 9

Ob eine Vermittlung gegen die guten Sitten verstoßen würde, muss anhand der gesellschaftlichen Ansichten, die ständigen Wandlungen unterworfen sind, und der vorhandenen Rechtsprechung beurteilt werden. Der Begriff der guten Sitten ist nicht allgemeingültig definiert. Bislang ist versucht worden, eine Abgrenzung auf der Grundlage des Wertesystems im Grundgesetz anhand des Maßstabes des Anstandsgefühls aller billig und gerecht denkenden Menschen vorzunehmen. Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob es sich im Einzelfall um einen "Arbeitsvertrag" im allgemeinen arbeitsrechtlichen Sinne handelt, wonach man unter Arbeit nur eine Betätigung oder ein Verhalten versteht, das irgendwie zur Befriedigung im Einklang mit der Rechtsordnung stehender ideeller oder materieller menschlicher Bedürfnisse dient und im Hinblick darauf im Arbeits- und Wirtschaftsleben als "Arbeit" qualifiziert wird. Entscheidend ist vielmehr, dass der zur Beurteilung stehende Vertrag der Parteien nach § 138 Abs. 1 BGB wegen Sittenwidrigkeit nichtig ist, weil er nach Inhalt, Zweck und Beweggründen gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dabei ist auf die Verhaltensanforderungen abzustellen, die auf den gemeinsamen Grundüberzeugungen der Gesellschaft über das moralisch Gebotene und Vertretbare beruhen, weswegen auch bei aller Veränderung und Wandelbarkeit der sogenannten "herrschenden Moral", die mit moralwissenschaftlichen Erkenntnissen ohne weiteres nichts zu tun hat, jedenfalls entgegen der Auffassung der Kläger moralwidrige Unsitten nicht deswegen als maßgeblich erklärt werden können, weil sie innerhalb gewisser Kreise üblich sind. Nach den der geltenden Rechtsordnung immanenten ethischen Wertungen und Grundprinzipien und den darauf beruhenden Grundüberzeugungen unserer Gesellschaft gehört jedoch (unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BGH), dass die mit dem Vertrag der Parteien übernommene Verpflichtung zu einem bestimmten Verhalten jedenfalls mit dem nach dem Grundgesetz verfassungsrechtlich geschützten menschlichen Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 GG vereinbar ist.

 

Rz. 10

Verstöße gegen die guten Sitten müssen keineswegs immer zugleich auch ein mit Strafe bedrohtes Verhalten darstellen. Deshalb stellt die Vermittlung von Prostituierten an den Betreiber eines Bordells auch eine unzulässige Vermittlung dar.

 

Rz. 11

Ein Verstoß gegen die guten Sitten ist auch dann anzunehmen, wenn aufgrund eines Lohnes von nur 2 Dritteln des Tariflohnes ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Entgelt anzunehmen ist. Hierbei kommt es nicht auf den Mindestlohn an, sondern allein auf den Vergleich des tatsächlichen Lohns mit dem Mindestlohn.

 

Rz. 12

Gegen die guten Sitten können ferner (geplante) Regelungen im Arbeitsvertrag verstoßen, die auf eine Verletzung der Koalitionsfreiheit hinauslaufen, durch Kontrollen gegen den Schutz der Menschenwürde verstoßen (beobachten, abhören usw.), die Diskriminierungshandlungen außerhalb der ausdrücklich in Abs. 2 festgelegten Einschränkungen der Vermittlung beinhalten sowie Regelungen, die gegen die freie Meinungsäußerung, die freie Entfaltung der Persönlichkeit oder den Schutz von Ehe und Familie verstoßen. Stets zu beachten ist die Glaubens-, Gewissens- und Religionsfreiheit in den Grenzen des Abs. 2. Wettbewerbsverbote und Regelungen zu Nebenbeschäftigungen oder Nebentätigkeiten sind daraufhin zu untersuchen, ob sie ggf. einen Verstoß gegen das Recht auf freie Berufsausübung darstellen.

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