Rz. 324

Bei der nachfolgenden Zusammenstellung werden Sachverhalte dargestellt, die tendenziell eine verhaltensbedingte Kündigung eher zur Folge oder eher nicht zur Folge haben. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalles. Manche der Sachverhalte können je nach Ausprägung auch eine außerordentliche Kündigung begründen (wird z. T. angegeben). Auf die Notwendigkeit einer eigenen sozialrechtlichen Bewertung des arbeitsvertragswidrigen Verhaltens wird hingewiesen. Diese wird allerdings nicht notwendig, wenn schon nach arbeitsrechtlicher Definition kein arbeitsvertragswidriges Verhalten vorliegt.

 

Rz. 325

Einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund stellen tendenziell folgende Sachverhalte dar:

  • Verstoß gegen ein angeordnetes Alkoholverbot. Indizien für eine Pflichtverletzung können auch Veränderungen bei der Stimme/Sprache, Schwierigkeiten beim Gehen, eine Alkoholfahne oder die Verweigerung eines Blutalkoholtests sein. Bei Alkoholsucht ist nach den Grundsätzen bei Erkrankungen zu entscheiden. Bei Entzug der Fahrerlaubnis bei einem Berufskraftfahrer kann auch eine außerordentliche Kündigung berechtigt sein. Es kommt stets auf die Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis an, auch bei außerdienstlichem Alkoholgenuss. In einem Einzelfall hat der Arbeitnehmer beim LAG Düsseldorf eine fristgerechte Kündigung gegen sich erstritten und damit eine außerordentliche Kündigung vermieden, nachdem er alkoholisiert an einem illegalen Straßenrennen teilgenommen, dies aber mit der Begründung bestritten hatte, er hätte lediglich im Schockzustand entschieden, mit einem Quad den Dieb seines Lamborghini zu verfolgen (vgl. LAG Düsseldorf, Vergleich v. 17.11.2016, 13 Sa 746/16). Der Arbeitnehmer muss ggf. seinen Wunsch, sich mittels eines Alkoholtests von dem Verdacht der Alkoholisierung zu entlasten, deutlich äußern.
  • Bei wissentlich grundlosen Anzeigen gegen den Arbeitgeber liegen regelmäßig die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung vor (BAG, Urteil v. 15.12.2016, 2 AZR 42/16).
  • Nichtvorlage der Arbeitspapiere trotz wiederholter Aufforderung.
  • Vortäuschung der Erledigung tatsächlich nicht verrichteter Arbeit.
  • Nichtvorlage einer geschuldeten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nach bereits erfolgter Abmahnung (BAG, Urteil v. 3.11.2011, 2 AZR 748/10), auch die Verletzung der Pflicht zur unverzüglichen Anzeige der Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit kann eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen (BAG, Urteil v. 7.5.2020, 2 AZR 619/19). Die Möglichkeit, sich auf die Zusage des Arztes zu verlassen, die Bescheinigung zuzustellen, wie das gegenüber der Krankenkasse möglich ist, ohne den Anspruch auf das Krankengeld wegen des Zugangsrisikos zu verlieren (BSG, Urteile v. 8.8.2019, B 3 KR 6/18 R, 18/18 R), besteht für den Arbeitnehmer nicht.

    Verlangt der Arbeitgeber von Arbeitnehmern auf der Grundlage von § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG in einer bestimmten Form und ggf. innerhalb einer bestimmten Frist den ärztlichen Nachweis jeglicher Arbeitsunfähigkeit, ist grundsätzlich das Ordnungsverhalten und nicht das – mitbestimmungsfreie – Arbeitsverhalten der Arbeitnehmer berührt. Da die Ausübung des Bestimmungsrechts nach § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG ausschließlich auf individuellen Besonderheiten des einzelnen Arbeitsverhältnisses beruhen kann, besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG nur dann, wenn der Arbeitgeber hierbei eine selbst gesetzte Regel vollzieht oder der Ausübung dieses Rechts eine solche Regelhaftigkeit zugrunde liegt. Das ist etwa der Fall, wenn er das Verlangen gleichermaßen gegenüber allen Arbeitnehmern, gegenüber einer Gruppe von ihnen oder zumindest dann ausübt, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind (BSG, Beschluss v. 15.11.2022, 1 ABR 5/22).

  • Heilungswidriges Verhalten bei Arbeitsunfähigkeit, insbesondere die weitere Ausübung einer entgegenstehenden weiteren Beschäftigung (BAG, Urteil v. 26.8.1993, 2 AZR 154/93).
  • Vortäuschen von Arbeitsunfähigkeit berechtigt zur außerordentlichen Kündigung (BAG, Urteil v. 26.8.1993, 2 AZR 154/93).
  • Beharrliche Arbeitsverweigerung berechtigt zur außerordentlichen Kündigung (BAG, Urteil v. 29.8.2013, 2 AZR 273/12). Sie ist nach objektiver Rechtslage zu beurteilen; der Arbeitnehmer trägt das Risiko seiner sich als unzutreffend erweisenden Rechtsauffassung (BAG, Urteil v. 14.12.2017, 2 AZR 86/17). Unbillige Weisungen muss der Arbeitnehmer nicht beachten. Darf der Arbeitgeber eine Arbeit mangels arbeitsvertraglichen Weisungsrechts nicht zuweisen, liegt keine beharrliche Arbeitsverweigerung vor. Es führt nicht zu einer Erweiterung des Weisungsrechts, dass der Arbeitnehmer an der zu Unrecht zugewiesenen Arbeit, etwa Telearbeit im Home-Office, zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf interessiert sein könnte (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 10.10.2018, 17 Sa 562/18).
  • Soll ein Arbeitnehmer auf unabsehbare Zeit und damit länger als einen Monat nicht mehr in alternierender Telearbeit weitgehend am häuslichen Arbeitsplatz, sondern vollständig in der Betriebsstätte des...

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