Rz. 167

Es entspricht dem Grundsatz der Vertragsfreiheit nach § 311 BGB, dass die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer als Arbeitsvertragsparteien ihr jeweiliges durch Arbeitsvertrag begründetes Arbeitsverhältnis jederzeit im gegenseitigen Einvernehmen für die Zukunft beenden können. Das Arbeitsverhältnis wird im Falle des Aufhebungsvertrages durch vertragliche Vereinbarung beendet. Inhalt ist das, ggf. auch vorzeitige, Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis. Ein Aufhebungsvertrag muss schriftlich abgeschlossen werden (§ 623 BGB). Das gilt auch für etwaige Vorverträge. Der Aufhebungsvertrag muss in seiner Gesamtheit von beiden schließenden Parteien unterzeichnet werden. Dafür genügt das Angebot mit Unterschrift durch den Arbeitgeber, das der Arbeitnehmer sozusagen durch Gegenzeichnung annimmt. Der Abschluss eines Aufhebungsvertrages durch einen mit Vertretungsvollmacht ausgestatteten Bevollmächtigten ist dem Arbeitnehmer zuzurechnen (vgl. § 164 Abs. 1 Satz 1 BGB), das gilt auch für ein etwaiges Verschulden (§ 278 BGB).

Eine Rechtsunkenntnis und damit der Irrtum über die arbeitslosenversicherungsrechtlichen Rechtsfolgen des Abschlusses eines Aufhebungsvertrages lässt den Verschuldensvorwurf i. S. des Sperrzeitrechts nicht entfallen, sondern ist lediglich im Zusammenhang mit der Frage, ob ein Härtefall i. S. v. Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b gegeben ist, zu prüfen. Es geht zulasten des Arbeitnehmers, wenn er nach Kenntnis der Hinweise im Aufhebungsvertrag und vor Unterzeichnung des Vertrages keine Erkundigungen hinsichtlich möglicher arbeitsversicherungsrechtlicher Konsequenzen der Beschäftigungsaufgabe bei der Agentur für Arbeit eingeholt hat. Der Umstand, dass sich ein Arbeitnehmer ein Beschäftigungsverhältnis selbst gesucht hat, stellt für sich keinen wichtigen Grund für eine Beschäftigungsaufgabe dar (LSG Sachsen, Beschluss v. 17.2.2021, L 3 AL 5/21 B ER).

 

Rz. 168

Aufhebungsverträge sind auf die Beendigung des Arbeitsvertrages gerichtet. Deshalb unterliegen sie bei einem solchen Charakter keiner Befristungskontrolle. Das ist nur der Fall, wenn der Vertrag auf eine befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gerichtet ist. Bei längeren Fristen bis zum Beendigungszeitpunkt kann die Befristung des Arbeitsverhältnisses durch einen Aufhebungsvertrag verdeckt worden sein. Das liegt insbesondere bei fehlenden weiteren Vereinbarungen nahe, etwa zu Urlaub, Abfindung usw. Ein Aufhebungsvertrag kann auch aus Anlass eines Betriebsüberganges geschlossen werden, ist dann aber sperrzeitrechtlich i. d. R. nicht relevant. Dient der Vertrag zur Umgehung des § 613a Abs. 1 BGB, ist er jedoch unwirksam.

 

Rz. 168a

Beim Abschluss des Aufhebungsvertrages ist das Gebot des fairen Verhandelns als arbeitsvertragliche Nebenpflicht zu beachten (BAG, Urteil v. 7.2.2019, 6 AZR 75/18). Die Einwilligung zum Abschluss des Aufhebungsvertrages kann zwar nicht widerrufen werden, wegen Verletzung des Gebotes kann der Vertrag gleichwohl unwirksam sein. Eine solche Verletzung liegt vor, wenn eine Überrumpelung des Arbeitnehmers durch eine psychische Drucksituation geschaffen wird und dadurch die freie Entscheidungsfindung erheblich erschwert wird. Beispiele hierfür sind das Ausnutzen von Sprachbarrieren oder einer erkennbaren körperlichen oder psychischen Schwäche. Dann ist ein Verstoß gegen die Aufklärungs- und Rücksichtnahmepflichten festzustellen (§ 241 Abs. 2 BGB). Rechtsfolge ist die Naturalrestitution gemäß § 249 Abs. 1 BGB, die rechtliche Wirkung des Aufhebungsvertrages entfällt. Auch eine Klageverzichtsvereinbarung in unmittelbarem Zusammenhang mit einer Kündigung stellt einen Aufhebungsvertrag dar, der der Schriftform bedarf (vgl. BAG, Urteil v. 19.4.2007, 2 AZR 208/06). Eine zeitliche Nähe allein genügt nicht.

Der Arbeitgeber verhandelt nicht entgegen § 311 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 241 Abs. 2 BGB deswegen unfair, weil er den von ihm angebotenen Aufhebungsvertrag nur zur sofortigen Annahme unterbreitet und der Arbeitnehmer diesen nur sofort annehmen kann, § 147 Abs. 1 Satz 1 BGB (BAG, Urteil v. 24.2.2022, 6 AZR 333/21). Das Gebot fairen Verhandelns ist eine durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen begründete Nebenpflicht i. S. d. § 311 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 241 Abs. 2 BGB (unter Hinweis auf BAG, Urteil v. 7.2.2019, 6 AZR 75/18). § 241 Abs. 2 BGB schützt mit den "Interessen" nach dem Willen des Gesetzgebers ausdrücklich auch die Entscheidungsfreiheit des Vertragspartners. Die Bestimmung trägt so dem Gebot Rechnung, unzulässiger Fremdbestimmung bei der Willensbildung in der vorkonsensualen Phase wirksam zu begegnen. Das Gebot fairen Verhandelns wird missachtet, wenn die Entscheidungsfreiheit des Vertragspartners in zu missbilligender Weise beeinflusst wird. Bei Verhandlungen über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags kann eine Seite gegen ihre Verpflichtungen aus § 241 Abs. 2 BGB verstoßen, wenn sie eine Verhandlungssituation herbeiführt oder ausnutzt, die eine unfaire Behandlung des Vertragspartners darstellt. Dabei geht es...

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