Rz. 164

Allein der Umstand, dass der Arbeitnehmer sich nicht mit einer Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung wehrt, stellt keinen Grund für den Eintritt einer Sperrzeit dar. Nach § 97 AVAVG ruhte der Alg-Anspruch nicht nur, wenn der Arbeitslose einen Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis aufgab, sondern auch dann, wenn er ihn nicht geltend machte. Eine entsprechende Bestimmung war noch im Regierungsentwurf des AFG enthalten (§ 107). Sie wurde aber bewusst fallen gelassen. Die fehlende Bereitschaft des Arbeitslosen, sich gegen den Willen des Arbeitgebers im Arbeitsverhältnis weiter zu behaupten, war schon nach der von den gesetzgebenden Organen beschlossenen Fassung des § 119 Abs. 1 AFG kein Fehlverhalten gegenüber der Versichertengemeinschaft, welches den Eintritt einer Sperrzeit rechtfertigt (BSG, Urteil v. 20.4.1977, 7 RAr 81/75). Eine andere Betrachtung ist dann geboten, wenn ein Klageverzichtsvertrag geschlossen wurde. Dieser bedarf der Schriftform. Für das Sperrzeitrecht ist aber vor allem relevant, dass er nicht ohne Kompensationsleistung des Arbeitgebers wirksam geschlossen werden kann, weil das eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers darstellen würde. Weder aus dem Umstand, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer vor Aussprechen der Kündigung seine Kündigungsgründe verständlich und annehmbar zu machen versucht, noch daraus, dass der Arbeitnehmer keine Kündigungsschutzklage erhoben hat, ist zwingend zu folgern, dass der Arbeitnehmer sich mit seinem Arbeitgeber über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses geeinigt, also einen Aufhebungsvertrag abgeschlossen hat. Vielmehr kann der Arbeitnehmer die von seinem Arbeitgeber ihm gegenüber erklärte einseitige Kündigung des arbeitsrechtlichen Dauerschuldverhältnisses zum Anlass nehmen, seinerseits eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für sich auszuschließen. Darin liegt keine (aktive) Mitwirkung an der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses.

 

Rz. 165

Die Besprechung der Kündigungsgründe zwischen den Parteien des Arbeitsvertrages kann ebenso dem Zweck gedient haben, den Arbeitnehmer geneigt zu machen, von einer Feststellungsklage gegen die Kündigung abzusehen. Das Unterlassen der Feststellungsklage allein stellt keine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses dar. Richtig ist zwar, dass eine Kündigung in das Vertragsangebot zur sofortigen einverständlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses umgedeutet werden kann, wenn es dem mutmaßlichen Willen des Kündigenden entspricht, auch beim Fehlen eines Kündigungsgrundes gleichwohl unter allen Umständen das Arbeitsverhältnis zu beenden. Auch aufgrund eines derartigen Angebots des Kündigenden kommt es aber nach der Rechtsprechung des BSG nicht stets zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages, wenn der Kündigungsempfänger die Kündigung "akzeptiert", sondern nur dann, wenn das in dem Bewusstsein geschieht, eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung abgeben zu können und zu wollen.

 

Rz. 166

Das setzt voraus, dass der Kündigungsempfänger die Unwirksamkeit der Kündigung erkannt hat, diese als Angebot zur Vertragsaufhebung verstanden werden konnte und der Arbeitnehmer diesem mutmaßlichen Willen des Kündigenden entsprechen will. Es müssen Tatsachen festgestellt oder vorgebracht werden, nach denen es berechtigt erscheint, aus der Kündigung des Arbeitnehmers und seinem Verhalten – die bloße Unterlassung der Kündigungsschutzklage – eine Umdeutung in einen Aufhebungsvertrag vorzunehmen (vgl. § 140 BGB). Auch wenn im Zusammenhang mit der Kündigung zwischen Arbeitgeber, Betriebsvertretung und Arbeitnehmer Gespräche über die nach Meinung des Arbeitgebers erforderliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses stattgefunden haben, so zeigt gerade der Umstand, dass der Arbeitgeber zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses den Weg der Kündigung beschritten hat, dass der hierfür ebenfalls mögliche Weg über den Aufhebungsvertrag nicht beschritten werden sollte. Jedenfalls kann allein die Tatsache des "Schweigens" des Arbeitnehmers in der Form der schlichten Hinnahme der Kündigung (ohne Erhebung einer Kündigungsschutzklage) nicht als Ausdruck einer rechtsgeschäftlichen Willenserklärung zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages angesehen werden. Das hat zur Folge, dass der Arbeitnehmer den Eintritt einer Sperrzeit nicht fürchten muss. Demnach hat das BSG entschieden, dass das Arbeitsverhältnis des Arbeitslosen durch Kündigung beendet worden ist. Es bedarf eines deutlich erkennbaren Erklärungswillens des Arbeitnehmers zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses in dem Bewusstsein, auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch Einfluss nehmen zu können. So ist es ja auch tatsächlich, denn auch der Arbeitgeber wollte ja ursprünglich nicht den Weg des Aufhebungsvertrages beschreiten. Wegen der erforderlichen Schriftform sind diese Fälle in der Praxis des Sperrzeitrechts kaum relevant. Eine andere Betrachtung kann anzustellen sein, wenn zusätzlich ein sog. Abwicklungsvertrag geschlossen wurde und nach dem tat...

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