Rz. 103

Das Gesetz fordert Vorsatz, mindestens aber grobe Fahrlässigkeit als Verschuldensform. Dies bezieht sich auf das Verhalten des Arbeitslosen. Es kommt auf vorhersehbare Arbeitslosigkeit und erkennbar fehlende Aussichten auf einen Anschlussarbeitsplatz an.

Vorsatz liegt vor, wenn der Arbeitnehmer bei der Lösung des Beschäftigungsverhältnisses die Arbeitslosigkeit bewusst und gewollt herbeiführt oder zumindest billigend in Kauf nimmt (vgl. BSG, Urteil v. 15.5.1985, 7 RAr 83/83). Unter grober Fahrlässigkeit wird ein Handeln unter Verletzung der erforderlichen Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich großem Maße verstanden: Einfachste, der Entwicklung nach ganz nahe liegende Überlegungen werden nicht angestellt; es wird unbeachtet gelassen, was im gegebenen Falle jedem einleuchten müsste. Löst ein Arbeitnehmer das Beschäftigungsverhältnis, geschieht dies im Regelfall vorsätzlich. Das schließt nicht aus, dass er eine Erklärung zur Lösung des Beschäftigungsverhältnisses im Einzelfall irrtümlich oder in bedrohter Lage abgibt. Er kann sich dann darauf berufen, dass er eine das Beschäftigungsverhältnis lösende Erklärung inhaltlich nicht abgegeben hat bzw. die Folgen seiner Erklärung nicht richtig eingeschätzt bzw. erkannt hat. Dadurch wird jedoch der Auflösungssachverhalt nicht beseitigt, der Arbeitnehmer kann z. B. auch dann, wenn er die Erklärung unter großem Zeitdruck abgegeben hat, diese nicht mit Erfolg anfechten. Von einem Arbeitnehmer kann erwartet werden, dass er nach seiner Einsichtsfähigkeit i. S. einer Vermeidung von Beschäftigungslosigkeit handelt. Handelt er in diesem Sinne unverständlich oder nicht so, wie das von einem verständigen Arbeitnehmer erwartet würde, liegt zumindest grobe Fahrlässigkeit vor. Entscheidend ist also, mit welcher Sorgfalt der Arbeitnehmer letztlich gehandelt hat, ob er bei Einhaltung der gebotenen Sorgfalt seinen Irrtum erkennen musste.

 

Rz. 104

Das subjektive Urteils- und Einsichtsvermögen des Arbeitnehmers sowie seine Kritikfähigkeit sind in die Beurteilung der Verschuldensform einzubeziehen (vgl. BSG, Urteil v. 16.9.1999, B 7 AL 32/98 R). Es kommt also individuell darauf an, ob der Arbeitnehmer wissen muss oder voraussehen kann, dass sein Verhalten den Eintritt von Arbeitslosigkeit zur Folge haben wird, sich diese Möglichkeit jedenfalls für ihn aufdrängen muss, etwa, weil er schon vor seiner Handlung damit rechnen musste, dass er wegen seines (beabsichtigten) Verhaltens seine Beschäftigung durch arbeitgeberseitige Kündigung verlieren wird. Dasselbe gilt für die Vorhersehbarkeit des Ausschlusses aus einer Maßnahme i. S. d. Abs. 1 Nr. 5 wegen subjektiv vorwerfbaren maßnahmewidrigen Verhaltens. Grobe Fahrlässigkeit liegt regelmäßig vor, wenn der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Lösung des Beschäftigungsverhältnisses, sei es durch eigene Kündigung oder zur Kündigung durch den Arbeitgeber führendes arbeitsvertragswidriges Verhalten, keine konkreten Aussichten auf einen Anschlussarbeitsplatz hat (vgl. BSG, Urteil v. 27.5.2003, B 7 AL 4/02 R). Dasselbe dürfte für den Abbruch einer arbeitsmarktpolitischen Maßnahme gelten. Nach einer verhaltensbedingten rechtmäßigen Kündigung des Arbeitgebers liegt gleichwohl kein Sperrzeittatbestand vor, wenn der Arbeitnehmer subjektiv nicht mit einer Kündigung rechnen musste, denn dann wurde Arbeitslosigkeit nicht grobfahrlässig herbeigeführt, es fehlt an der notwendigen Kausalität (LSG Hessen, Urteil v. 21.9.2012, L 7 AL 201/11).

Maßgebend bleiben jeweils die Gesamtumstände des Einzelfalles. Zu diesen gehören auch die Aktivitäten, die der Arbeitnehmer ggf. eingeleitet oder durchgeführt hat. Eine konkrete Aussicht auf einen Anschlussarbeitsplatz kann auch zu bejahen sein, wenn der Arbeitnehmer gerade in diesem Bewusstsein sein arbeitsvertragswidriges Verhalten fortsetzt. Schwierigkeiten bereitet die Beurteilung immer dann, wenn es sich nicht um eine konkrete, bestenfalls sogar schriftliche Einstellungszusage handelt.

 

Rz. 105

 
Praxis-Beispiel
  • Der Arbeitslose kündigt sein bestehendes Arbeitsverhältnis, weil er sich bei einem anderen Arbeitgeber beworben hat. Die Bewerbung allein stellt noch keine konkrete Aussicht auf einen Anschlussarbeitsplatz dar. Erhält er noch vor dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses eine Einstellungszusage bei dem beworbenen Arbeitgeber, liegt keine Kausalität i. S. v. Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 vor.
  • Der Arbeitnehmer verhält sich weiter arbeitsvertragswidrig, obwohl er in derselben Angelegenheit bereit mehrfach abgemahnt worden ist. Er kann damit voraussehen, dass sein Verhalten zu einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber und damit zum Eintritt von Arbeitslosigkeit führen wird.
 

Rz. 106

Grobe Fahrlässigkeit liegt aber nicht vor, wenn für einen Führerscheinentzug, der auf einer Aufsummierung von "Punkten" beruht, lediglich eine fahrlässige Gefährdung des Straßenverkehrs ursächlich war und berauschende Mittel ohne Einfluss waren. Dem trägt die Neuregelung der Punktewertung seit 2014 allerdings besser R...

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