Rz. 29

Das Ruhen bei Bezug von Vorruhestandsgeld regelt Abs. 4. Dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben i. S. d. Ruhensvorschrift steht nicht entgegen, dass der Arbeitslose dennoch wieder ins Erwerbsleben eintritt bzw. sich arbeitslos meldet, solange er weiterhin die Vorruhestandsleistung von seinem ehemaligen Arbeitgeber bezieht. Umgekehrt entfällt das Ruhen mit dem Wegfall des Vorruhestandsgeldes. Unbeachtlich sind jedoch unselbstständige Beschäftigungen und selbstständige Tätigkeiten von geringfügigem Umfang. Für das Ruhen allein genügt es nicht, wenn der Arbeitslose die Leistung zwar beanspruchen kann, sie aber tatsächlich nicht bezieht. In diesen Fällen ist zu prüfen, ob es sich tatsächlich um eine Vorruhestandsleistung i. S. d. Abs. 4 handelt. Ggf. ist eine vorläufige Entscheidung zu treffen (§ 328). Das Ruhen entfällt nicht deshalb, weil der Arbeitgeber einen Rückforderungsanspruch hätte, aber nicht realisiert.

 

Rz. 30

Auf die Bezeichnung der Leistung als Vorruhestandsgeld kommt es nicht an. Vorruhestandsgeld wurden Leistungen nach dem Vorruhestandsgesetz zur Erleichterung des Übergangs vom Arbeitsleben in den Ruhestand genannt. Es bedarf aber für Abs. 4 keiner gesetzlichen Vorruhestandsregelung. Jegliche tarif- oder einzelvertragliche Regelung, die eine dem Vorruhestandsgeld vergleichbare Leistung vorsieht, bewirkt unabhängig von ihrer Bezeichnung das Ruhen des Alg. Voraussetzung ist jedoch das Ausscheiden aus dem Erwerbsleben. Unter diesem Gesichtspunkt muss die Regelung ggf. ausgelegt werden (BSG, Urteil v. 26.11.1992, B 7 RAr 46/92). Kann aus den vertraglichen Regelungen geschlossen werden, dass nach Auffassung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer das Erwerbsleben des Arbeitnehmers noch nicht beendet ist, dieser also prinzipiell weiter als Arbeitnehmer tätig werden kann und sich (z. B. zu diesem Zweck) auch arbeitslos melden kann, liegen Anhaltspunkte für eine nähere Prüfung der gezahlten Leistung als Vorruhestandsgeld vor.

 

Rz. 31

Das Bemessungsentgelt zur Prüfung des Grenzwertes von 65 % ist das für das Alg relevante Bemessungsentgelt i. S. d. §§ 151, 152. Das ist allerdings mit der Einschränkung zu versehen, dass das der Bemessung des Alg zugrunde gelegte Entgelt vor Anwendung des § 151 Abs. 5 relevant ist. Diese Einschränkung ist zwingend, um Leistungsmissbrauch zu vermeiden. Der Arbeitslose könnte nämlich tatsächliche Bindungen eingehen, die sein Bemessungsentgelt so weit vermindern, dass die Vorruhestandsleistungen den Grenzwert von 65 % knapp unterschreiten. Damit könnte der Arbeitslose Abs. 4 und damit das Ruhen des Anspruches auf Alg insgesamt umgehen.

 

Rz. 32

Waren sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer darüber einig, dass das Erwerbsleben des Arbeitnehmers nicht beendet ist, er sich z. B. arbeitslos melden will, bewirkt selbst eine als Vorruhestandsgeld bezeichnete Leistung des Arbeitgebers von deutlich mehr als 65 % des Bemessungsentgelts nicht das Ruhen nach Abs. 4. Ggf. ist ein Ruhen nach § 157 zu prüfen.

Abs. 4 ist überhaupt nur anwendbar, wenn sich der Arbeitnehmer entgegen der früheren Vereinbarung als nicht aus dem Erwerbsleben ausgeschieden betrachtet und sich arbeitslos meldet, während der Arbeitgeber an der Vereinbarung festhält. Sind sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer hingegen darüber einig, dass der Arbeitnehmer wieder erwerbstätig sein darf, bezieht der Arbeitnehmer kein Vorruhestandsgeld und auch keine diesem ähnliche Leistung. Geringfügige Beschäftigungen oder selbstständige Tätigkeiten stehen einem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben nicht entgegen. Die Arbeitgeberleistung ist dann aber regelmäßig als Entlassungsentschädigung nach § 158 zu qualifizieren.

 

Rz. 33

Bezug einer Leistung liegt nach dem allgemeinen Sprachgebrauch erst dann vor, wenn sie tatsächlich zufließt. Es genügt nicht allein, lediglich einen Anspruch inne zu haben (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 22.11.2012, L 9 AL 138/11). Ruht der Anspruch auf Alg, besteht keine besondere Nähe zur Versichertengemeinschaft, sondern aufgrund des tatsächlichen Leistungsbezuges allein zu diesem anderen Sozialleistungsträger und damit nicht zur Arbeitslosenversicherung. Auch bei rückwirkender Aufhebung wegen des nachträglichen Eintritts eines Ruhenstatbestandes (Bewilligung von Krankengeld) liegt kein Bezug von Alg vor (LSG Saarland, L 6 AL 15/10). Der tatsächliche Bezug einer Vorruhestandsleistung führt auch dann zum Ruhen des Anspruchs auf Alg, wenn es an einer rechtlichen Grundlage dafür mangelt.

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