Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Sanktion. Eingliederungsvereinbarung. Anforderung an die Bestimmtheit von Arbeitsangeboten. qualifizierte Pflicht. sozialgerichtliches Verfahren. Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Hauptsacheverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Arbeitsangebot muss, um die Sanktion gemäß § 31 Abs 1 S 1 Nr 1 Buchst c SGB 2 nach sich ziehen zu können, hinreichend bestimmt sein. Nur ein solches Angebot ermöglicht es dem Hilfebedürftigen zu prüfen, ob die angebotene Tätigkeit zumutbar ist oder zulässige Ablehnungsgründe vorliegen (vgl LSG Hamburg vom 11.7.2005 - L 5 B 161/05 ER AS = info also 2005, 272, LSG Berlin-Potsdam vom 28.9.2006 - L 14 B 518/06 AS ER, BVerwG vom 4.6.1992 - 5 C 35/88 = info also 1992, 199 und BVerwG vom 12.12.1996 - 5 B 192/95). Auch in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu § 144 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 3 ist anerkannt, dass das Beschäftigungsangebot hinreichend bestimmt sein muss (vgl BSG vom 13.3.1997 - 11 RAr 25/96 = SozR 3-4100 § 119 Nr 11).

2. Das Bestimmtheitsgebot erfordert insbesondere, dass die Art der Tätigkeit, ihr zeitlicher Umfang, die zeitliche Verteilung und die vorgesehene Entlohnung im Arbeitsangebot bezeichnet werden (vgl LSG Hamburg, aaO, LSG Celle-Bremen vom 1.9.2006 - L 8 AS 315/06 ER = NDV-RD 2007, 9 und BVerwG vom 4.6.1992, aaO). Denn diese Angaben sind erforderlich, um den Hilfebedürftigen in die Lage zu versetzen, das Angebot überprüfen zu können. Es genügt daher nicht, den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen einer Einrichtung oder einem Arbeitgeber zuzuweisen und die Arbeitszeit, dessen Verteilung und die Entlohnung offen zu lassen. Die Verantwortung für die Korrektheit des Arbeitsangebots liegt insbesondere im Hinblick auf die Sanktionsfolgen allein beim Leistungsträger.

 

Orientierungssatz

1. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Sanktionsbescheid nach § 31 SGB 2 haben gem § 39 Nr 1 SGB 2 keine aufschiebende Wirkung.

2. Im Rahmen des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs 1 Nr 2 SGG sind auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Je geringer die Erfolgsaussichten sind, desto gewichtiger müssen die sonstigen, gegen den Sofortvollzug sprechenden Umstände sein. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens gänzlich offen, so müssen die sonstigen, gegen den Sofortvollzug sprechenden Umstände in jedem Fall höher bewertet werden, als die für ihn sprechenden Umstände, da es andernfalls bei der bereits gesetzlich angeordneten sofortigen Vollziehbarkeit bleibt.

3. Beinhaltet eine Eingliederungsvereinbarung lediglich die Pflicht, innerhalb der nächsten 6 Monate mindestens 8 Bewerbungen pro Monat zu versenden, so liegt eine Verletzung einer Pflicht iS des § 31 Abs 1 S 1 Nr 1 Buchst b SGB 2 nicht vor, wenn sich aus der Eingliederungsvereinbarung im Hinblick auf die konkrete Bewerbung keine qualifizierten Pflichten ergeben (hier: unzulässige Sanktionierung wegen schlechter fehlerhafter Gestaltung der Bewerbung).

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 09.01.2008 aufgehoben. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 12.10.2007 und der Anfechtungsklage gegen diesen Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.11.2007 wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin für das Antrags- und das Beschwerdeverfahren.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Sanktionsbescheid vom 12.10.2007 und der Anfechtungsklage gegen diesen Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.11.2007.

Die 1985 geborene Antragstellerin (Ast.) ist gelernte Hauswirtschafterin. Sie bezieht seit 11.04.2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Auf ihren Fortzahlungsantrag bewilligte ihr die Antragsgegnerin (Ag.) mit Bescheid vom 26.07.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 633,72 €/Monat für den Zeitraum vom 01.08.2007 bis 31.01.2008.

Am 10.09.2007 schlossen die Beteiligten eine Eingliederungsvereinbarung. Darin verpflichtete sich die Ast. unter anderem, in den nächsten sechs Monaten mindestens acht Bewerbungen pro Monat zu versenden. In der Rechtsfolgenbelehrung hieß es: “Eine Verletzung ihrer Grundpflichten liegt vor, wenn sie sich weigern … eine zumutbare Arbeit … aufzunehmen … Haben sie das 15. Lebensjahr, jedoch noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet, wird das Arbeitslosengeld II im Falle einer Verletzung der Grundpflichten auf Leistungen nach § 22 SGB II (Leistungen für Unterkunft und Heizung) beschränkt … Absenkung und Wegfall dauern drei Monate und beginnen mit dem Kalendermonat nach Zustellung des entsprechenden Bescheides über die Sanktion … Bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die das 15. Lebensjahr, jedoch noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben,...

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