Die Messinstrumente, die bei der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen eingesetzt werden, sollten alle relevanten Belastungsfaktoren beinhalten (s. Abschn. 3.3). Es gibt Fragebögen, die nur einen Teil der nötigen Bereiche abdecken und andere, die zahlreiche Fragen zu Themen stellen, die nicht Bestandteil der Gefährdungsbeurteilung sind. Dazu gehören auch Fragen zum Gesundheitszustand und Erleben der Beschäftigten, die laut Gesetz nicht zu einer Gefährdungsbeurteilung gehören.

Empfehlenswert ist es, auf bekannte Verfahren zurückzugreifen, die sich in der Praxis bereits bewährt haben und möglichst auch für den Zweck der Gefährdungsbeurteilung entwickelt wurden. Es ist allerdings darauf zu achten, ob die Verfahren für eine bestimmte Branche oder bestimmte Tätigkeiten entwickelt wurden. So sind im Bürobereich oft andere Belastungsfaktoren vorhanden als in der Produktion. Entsprechende Fragen müssen sich dann auch in den Fragebögen oder Interviewleitfäden für die Beobachtungsinterviews wiederfinden.

Auch wenn der Laie meint, ein Fragebogen zu psychischer Belastung im Betrieb sei doch schnell erstellt, wissen psychologische Experten, das viele Kriterien berücksichtigt werden müssen, um ein wirklich gutes Messinstrument zu entwickeln. Um z. B. mit einem Fragebogen wirklich aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten, aus denen sich gezielte Maßnahmen ableiten lassen, muss dieser bestimmten Gütekriterien genügen, die verschiedene Aspekte der Qualität abbilden.

Dafür werden 3 Gütekriterien unterschieden: die Reliabilität, die Validität und die Objektivität. Jemand, der diese Gütekriterien nicht kennt, kann natürlich auch kein gutes Messinstrument für psychische Belastungsfaktoren entwickeln. Bei professionell entwickelten Fragebögen werden die Gütekriterien wissenschaftlich überprüft und veröffentlicht, sodass zukünftige Nutzer sich über die Qualität des Verfahrens informieren können.

 
Achtung

Selbst entwickelte Fragebögen

Vom Einsatz selbst entwickelter Fragebögen kann nur abgeraten werden. Diese entsprechen i. Allg. nicht den nötigen Gütekriterien und erbringen keine guten Messwerte. Aus falschen Messwerten wiederum werden oft falsche Entscheidungen zur Veränderung der Arbeitsbedingungen getroffen. Das kostet dann Zeit und Geld, ohne wirklich zu einer Verbesserung der Arbeitssituation und zu einer Verringerung der psychischen Belastung beizutragen. Die Entwicklung von eigenen Verfahren, die den wissenschaftlichen Gütekriterien entsprechen, wäre sehr aufwendig und findet meistens an Universitäten statt, da ein hohes Maß an Fach- und Methodenkompetenz erforderlich ist.

Die Reliabilität bezeichnet die Zuverlässigkeit eines Messinstruments, z. B. eines Fragebogens. So muss ein gutes Messinstrument auch bei wiederholter Messung die gleichen Ergebnisse bringen. Bei einigen Messgrößen ist es relativ leicht, ein reliables Messinstrument zu finden: die Zeitdauer von Unterbrechungen bei der Arbeit lässt sich z. B. sehr verlässlich mit einer Stoppuhr messen. Andere Größen, z. B. der Handlungsspielraum oder das Führungsverhalten, lassen sich nicht so verlässlich erfassen.

Die Validität ist das zweite wichtige Gütekriterium, das angibt, ob auch das gemessen wird, was gemessen werden soll. Es wird auch als Gültigkeit bezeichnet. Soll für den Bereich der psychischen Belastung beispielsweise der Handlungsspielraum in einem Arbeitsbereich gemessen werden, darf ein gutes Erhebungsverfahren nicht stattdessen die Arbeitsintensität erfassen.

Mit Objektivität ist gemeint, dass die erhobenen Messwerte nicht von der messenden Person abhängen dürfen. Fragebögen sind daher oft objektiver, als Begehungen oder Beobachtungsinterviews, bei denen ja die Sicht des Beobachters stark in das Ergebnis eingeht.

Die Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie hat in ihren "Empfehlungen zur Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung" auch Qualitätsgrundsätze für Erhebungsverfahren und -instrumente aufgestellt:

  1. Es ist beschrieben, für welche Einsatzbereiche das Instrument/Verfahren geeignet ist: Branchen, Berufs- oder Tätigkeitsarten, Betriebsgrößenklassen
  2. Anwendungsvoraussetzungen sind beschrieben: z. B. erforderliche Qualifikationen/Erfahrungen auf Seiten der Anwender
  3. Die methodische Qualität des Instrumentes/Verfahrens ist geprüft und ausgewiesen: Es muss dargelegt werden, dass das Instrument/Verfahren für die Zwecke der Gefährdungsbeurteilung geeignet ist, z. B. durch wissenschaftliche Gütebeurteilung, betriebliche Referenzen.
  4. Das Instrument/Verfahren erfasst und beurteilt Tätigkeiten und Ausführungsbedingungen: Beurteilungen erfolgen auf Grundlage von Beschreibungen der Arbeitsaufgabe, Arbeitsorganisation, sozialen Beziehungen, Arbeitsumgebung.
  5. Das Instrument/Verfahren berücksichtigt die relevanten Belastungsfaktoren: Die Berücksichtigung der relevanten Belastungsfaktoren (aus der Arbeitsaufgabe, Arbeitsorganisation, aus sozialen Beziehungen und Arbeitsumgebung) sollte ggf. durch Einsatz weiterer Instrumente/Verfahren sichergestellt werden.
  6. Da...

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