Eine einzelne Standardmethode zum Messen und Bewerten von psychischen Belastungen gibt es nicht. Die vielfältigen Einflussfaktoren sind nicht nur mit einem einzigen Messinstrument zu erheben und die Bedingungen in den einzelnen Betrieben sind sehr unterschiedlich. Je nach Ausgangslage, Branche, Betriebsgröße und Fragestellung kommen unterschiedliche Erhebungsverfahren in Betracht.

Zur Ermittlung der Ursachen und der Ausprägung der psychischen Belastung gibt es zahlreiche verschiedene Instrumente – jeweils mit Vor- und Nachteilen. Bei der Anwendung ist jedoch Folgendes zu bedenken: Wenn ein Erhebungsverfahren sehr genau und wissenschaftlich fundiert die psychischen Belastungsfaktoren erheben soll, kann es nicht gleichzeitig schnell, einfach und kostengünstig durchzuführen sein.

Gerade weil psychische Belastungen mehrere und komplexe Ursachen haben können, müssen auch entsprechende Erhebungsverfahren eingesetzt werden, um aussagekräftige Daten zu erhalten. Der Arbeitgeber wird sich vor dem Einsatz eines Analyseverfahrens psychischer Belastungen immer die Frage nach Nutzen bzw. Aufwand und Kosten stellen.

Verfahren zur Beurteilung psychischer Belastungen lassen sich grob in 2 Gruppen teilen:

  1. Fremdeinschätzung: Verfahren zur Erhebung der objektiven Ursachen psychischer Belastungen, meist auf der Basis systematischer Beobachtungen oder Beobachtungsinterviews.
  2. Selbsteinschätzung: Verfahren zur Erhebung von subjektiver Beanspruchung und deren Folgen, meist als schriftliche Befragung.

Die Ergebnisse psychologischer Arbeitsanalyseverfahren lassen sich nicht nur in den Bereich des betrieblichen Gesundheitsmanagements einordnen, sondern auch in den Bereich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, des Qualitätsmanagements und der Personal- und Organisationsentwicklung. Je nach Fragestellung stehen unterschiedliche Verfahren zur Verfügung.

Eine kommentierte Auswahl von Erhebungsverfahren findet sich auf der Website der BGW[1] oder in der Online-Datenbank des europäischen Projekts "ProMenPol".

5.1 Begehungen und Beobachtungsinterviews

Beim Beobachtungsinterview wird die Beobachtung der Arbeitstätigkeiten durch einen externen Experten mit ergänzenden Fragen in Interviewform gekoppelt. Vorteile dieser Verfahren sind:

  • die flexible Vorgehensweise des Beobachters,
  • die Möglichkeit, sowohl die objektiven Ursachen psychischer Belastungen, als auch das individuelle Empfinden der Beanspruchung zu erfassen.

Als Nachteil ergibt sich ein deutlich höherer zeitlicher und finanzieller Aufwand, da diese komplexen Verfahren auf jeden Fall von externen Experten durchgeführt werden müssen.

5.2 Mitarbeiterbefragungen

Vorteile einer standardisierten schriftlichen Befragung sind schnelle Ergebnisse und die geringen Durchführungskosten. Der Nachteil der schriftlichen Erhebung ist, dass es kaum möglich ist, klare Zusammenhänge zwischen Beanspruchung und verursachenden Faktoren herzustellen. Problematisch kann auch die evtl. geringe Rücklaufquote der Fragebögen sein.

Schriftliche Befragungen sollten anonym durchgeführt werden. Dies nimmt den Beschäftigten die Angst, sich durch offene oder kritische Antworten unbeliebt zu machen. Bei einer Gruppe mit weniger als 10 Personen sind schriftliche Befragungen nicht sinnvoll. Bei einer kleinen Belegschaft oder bei Sprachproblemen lassen sich viele Fragebögen auch als Grundlage für ein persönliches Interview oder ein Gruppengespräch verwenden.

Es liegt eine große Anzahl von Fragebogenverfahren vor. Bei der Auswahl eines geeigneten Fragebogens ist auch die Branche zu berücksichtigen. So gibt es z. B. Verfahren, die speziell auf den Büro- oder den Industriebereich abgestimmt sind.

Relativ leicht und branchenübergreifend einsetzbare Fragebogenverfahren sind z. B.:

  • COPSOQ Copenhagen Psychosocial Questionnaire (s. a. Tab. 2),
  • IMPULS-Test II (s. a. Tab. 3).
 
Art des Verfahrens Vertiefendes Verfahren
Methode der Datengewinnung schriftliche Befragung
Branche universell für alle Branchen und Betriebsgrößen
Aufwand 15–20 Min., 87 Fragen in der Standardversion
Besonderheiten Vergleich mit ca. 100.000 Referenzdaten möglich
Kosten Fragebogen kostenlos, Die Auswertung und der Vergleich mit Referenzdaten können kostenpflichtig von der Freiburger Forschungsstelle Arbeits- und Sozialmedizin übernommen werden.

Tab. 2: Überblick Eigenschaften COPSOQ

 
Praxis-Beispiel

Beispielfragen aus dem Fragebogen COPSOQ

  • Arbeiten Sie den ganzen Tag mit hohem Tempo?
  • Nimmt Ihre Arbeit so viel Zeit in Anspruch, dass sich dies negativ auf Ihr Privatleben auswirkt?
  • Erhalten Sie alle Informationen, die Sie brauchen, um Ihre Arbeit gut zu erledigen?
 
Art des Verfahrens Vertiefendes Verfahren
Methode der Datengewinnung Online-Befragung
Branche Branchenübergreifend, ab 50 Mitarbeiter
Aufwand gering, 25 Fragen
Besonderheiten Sehr gute grafische Auswertung. Erhebung der Abweichungen zwischen Ist- und Wunsch-Zustand. Ein fast i...

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