Sachverhalt

Eine Arbeitnehmerin hatte über Jahre nicht ihren vollen Urlaub genommen. Die Arbeitgeberin hatte sie nicht auf einen drohenden Verfall hingewiesen und auch nicht aufgefordert, den Urlaub zu nehmen. Die Arbeitnehmerin verlangte bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses Urlaubsabgeltung für 101 nicht genommene Urlaubstage aus den Jahren 2013 bis 2017. Sie wies darauf hin, dass die Arbeitgeberin ihrer Mitwirkungsobliegenheit nicht nachgekommen sei. Die Arbeitgeberin erhob Verjährungseinrede.

Ergebnis

Nach § 7 Abs. 4 BUrlG sind bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses offene Urlaubstage abzugelten. Das BAG[1] hatte den Fall dem EuGH vorgelegt.

Der EuGH hat am 22.9.2022 entschieden, Unionsrecht[2] sei so auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstünden, nach der der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, den ein Arbeitnehmer für einen Bezugszeitraum erworben habe, verjähre, wenn der Arbeitgeber seine Hinweisobliegenheit nicht erfüllt habe. Er hat ausgeführt: "Ließe man zu, dass sich der Arbeitgeber auf Verjährung [...] berufen kann, ohne ihn (den Arbeitnehmer) tatsächlich in die Lage versetzt zu haben, diese Ansprüche wahrzunehmen, würde man unter diesen Umständen im Ergebnis ein Verhalten billigen, das zu einer unrechtmäßigen Bereicherung des Arbeitgebers führt."

Dem ist das BAG gefolgt. Es hat § 199 Abs. 1 BGB richtlinienkonform ausgelegt und ausgeführt, die (3-jährige) Verjährung beginne erst mit Schluss des Jahres, in dem er Arbeitgeber seiner Hinweisobliegenheit nachgekommen sei.[3]

 
Hinweis

Wiederum zeigt sich, wie wichtig es ist, die Mitwirkungsobliegenheit zu erfüllen. Sind Arbeitgeber in der Vergangenheit ihrer Mitwirkungsobliegenheit nicht nachgekommen, müssen sie nun damit rechnen, mit zahlreichen Klagen überzogen zu werden.

Deshalb sollten Arbeitgeber folgende Überlegungen anstellen:

  • Sollen im laufenden Arbeitsverhältnis bei Vertragsänderungen die Klausel aufgenommen werden, das Urlaubsansprüche bis einschließlich des Vorjahres tatsächlich genommen sind (eine Vereinbarung, dass "keine Urlaubsansprüche für diesen Zeitraum bestehen", hilft nicht, weil sie nach § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG unwirksam ist)?
  • Urlaubsdaten sollten grundsätzlich nicht gelöscht werden, weil der Arbeitgeber als Schuldner des Urlaubsanspruchs nach § 362 Abs. 1 BGB davon ausgehen muss, dass er die Erfüllung der Urlaubsansprüche u. U. für weit zurückliegende Jahre noch beweisen muss.
  • Sollen in Abgeltungsklauseln in Formulararbeitsverträgen Urlaubsabgeltungsansprüche vom Verfall ausdrücklich ausgenommen werden, um dem Risiko der kompletten Nichtigkeit der Abgeltungsklauseln vorzubeugen?

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