Wenn es um Büroausstattung geht, stehen die richtigen Bürostühle im Fokus. Bei der Einrichtung von Industriearbeitsplätzen werden hingegen die Tische im Detail geplant und Stühlen im Nachgang nur ein geringer Stellenwert eingeräumt. Dabei sitzen Mitarbeiter an industriellen Arbeitsplätzen häufig mindestens genauso lange und haben durch die Arbeitsaufgabe viel weniger Möglichkeiten, die Haltung zu variieren.

Für eine ergonomische Gestaltung sollten Arbeitsstühle als Teil des Gesamtsystems verstanden und eingeplant werden.

Anzustreben ist immer ein regelmäßiger Wechsel zwischen stehender und sitzender Tätigkeit. Immer wenn sitzend gearbeitet wird, sollte die Haltung der Wirbelsäule der im Stehen angenähert werden.

Erreicht wird das durch ein leichtes nach vorne Neigen der Sitzfläche. Nach dem Zahnrad-Modell nach Brügger erreicht man durch eine leichte Beckenkippung (3°–5°) eine Aufrichtung der Wirbelsäule im Lendenbereich, die bis hinauf zu einer Halswirbelstreckung führt. In der Seitenansicht ergibt sich der doppel-S-förmige Verlauf der Wirbelsäule, der das ergonomische Optimum darstellt (Abb. 8).

Abb. 8: Doppel-S-förmiger Verlauf der Wirbelsäule[1]

Zudem unterstützt und entlastet eine hohe, federnd gelagerte Rückenlehne die Bandscheiben und garantiert eine gute Sitzdynamik sowie eine gute Versorgung der Bandscheiben mit Nährstoffen. Dazu muss die Rückenlehne synchron mit der Sitzfläche beweglich ausgeführt sein und bei einstellbarem Gegendruck die Höhenanpassung der Lordosestütze ermöglichen.

Die aufgeführten Anpassungsmöglichkeiten sind neben den Standardverstellungen bekannt aus den Mechaniken der Office-Stühle und finden auch in der manuellen Produktion Anwendung. Das industrielle Umfeld erfordert einige zusätzliche Kriterien, die es zu beachten gilt:

  • Sitz und Rückenpolster müssen robust, resistent und reinigungsfreundlich ausgeführt sein. Polyurethan-Integralschaum ist hier erste Wahl, auch bezüglich des Sitzkomforts.
  • Eine sich nach oben verjüngende Rückenlehne erlaubt die nötige Bewegungsfreiheit.
  • Das Fußkreuz ist an den exponierten Stellen umpolstert, damit Umgebung, der Stuhl selbst und der Nutzer geschützt sind.
  • Alle Betätigungen für die Verstellung sind im Sitzen erreichbar, für eine schnelle und intuitive Bedienung.
  • Counterstühle sind mit lastabhängig blockierbaren Rollen ausgestattet. So ist der Stuhl standsicher im Betrieb und dennoch leichtgängig manövrierbar im Gegensatz zu oft verbauten Gleitern.

Wenn der Arbeitsprozess keine Höhenverstellung des Arbeitstisches erlaubt, ist eine erhöhte Arbeitsfläche samt Counter-Stuhl eine gute Alternative. So kann der Mitarbeiter im Stehen arbeiten oder durch die erhöhte Sitzfläche auch im Sitzen. Die individuelle Justierung an die Körperproportionen erfolgt dann nach der Höhenanpassung durch den Stuhl mittels einer höhenverstellbaren Fußstütze. Diese ist nicht zu verwechseln mit der ringförmigen Aufstiegshilfe am Stuhl.

 
Praxis-Tipp

Unterweisung erforderlich

Auch ein guter Stuhl, der im besten Fall auch nach ergonomischen Richtlinien zertifiziert ist (z. B. AGR Aktion Gesunder Rücken e. V., vgl. Abb. 9), bedarf einer Unterweisung in die Bedienung zur optimalen Anpassung. Andernfalls führt die Einführung zu Fehlbedienungen und somit zu negativen Effekten bis hin zu Ablehnung oder sogar verschlechterten Krankenständen.

Abb. 9: Zertifikat der AGR e. V.

Der Arbeitsstuhl ist ein gutes Beispiel für die notwendige Einbindung aller Mitarbeiter in Entscheidungs- und Schulungsmaßnahmen, ohne die viele ergonomische Ziele nicht erreicht werden können!

[1] Quelle: Dauphin Human Design Group.

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