Entscheidungsstichwort (Thema)

Schutzpflichten gelten auch in Fällen der Überlassung von Arbeitnehmern

 

Verfahrensgang

LG Mainz (Urteil vom 20.04.2012; Aktenzeichen 4 O 292/09)

 

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 4. Zivilkammer - Einzelrichterin - des LG Mainz vom 20.4.2012 - 4 O 292/09, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

 

Gründe

I. Die klagende Berufsgenossenschaft nimmt den Beklagten im Wege der Leistungs- und Feststellungsklage auf Ersatz der Aufwendungen in Anspruch, die ihr als Sozialversicherungsträger durch einen Arbeitsunfall ihres Versicherten, des Zeugen und Geschädigten ... [A], vom 21.11.2002 entstanden sind.

Der Geschädigte war bei der Fa ... [B] GmbH & Co. KG (Firma ... [B]) als Zimmermann angestellt. Zusammen mit seinem Arbeitskollegen, dem Zeugen ... [C], war er am Unfalltag auf dem Kasernengelände der britischen ... [D] in ... [Z] im Zusammenhang mit dem Neubau eines Kantinengebäudes mit Holzverlegearbeiten an der Dachkonstruktion beschäftigt. Die Arbeiten wurden im Auftrag des öffentlich-rechtlichen Bauherrn von der Firma ... [E] durchgeführt, die von der Firma ... [B] mit Holzbauteilen beliefert wurde. Verantwortlicher der Firma ... [E] auf der Baustelle war der Beklagte, ein Zimmermannsmeister, dessen Funktion im Einzelnen zwischen den Parteien umstritten ist. Da die Firma ... [E] zu dieser Zeit nicht über ausreichend Personal verfügte, überließ ihr die Firma ... [B] ihre Angestellten ... [A] und ... [C] als Arbeitnehmer.

Der Geschädigte ... [A] verlegte gegen 15.25 Uhr zusammen mit dem Zeugen ... [C] auf dem Dach des Neubaus 14 m lange Leimbinderplatten auf Sparren. Unterhalb der noch unfertigen Dachkonstruktion, auf der die Zeugen ... [A] und ... [C] zu dieser Zeit arbeiteten, befand sich ein abgemauerter Bereich, der später den Toilettentrakt der Kantine bilden sollte. Die Platten wurden mit dem Kran zunächst quer über drei Leimbindersparren gelegt und sodann von den beiden Zeugen parallel und bündig zum Traufelement gezogen. Innerhalb des abgemauerten Bereiches war eine Zwischendecke eingezogen, so dass hier eine maximale Absturzhöhe zwischen 2 und 3 m bestand. Außerhalb des ummauerten Bereiches betrug die Absturzhöhe 5,50 m. Bei der Durchführung der vorbeschriebenen Verlegearbeiten stand der Zeuge ... [A] auf der etwa 36 cm breiten Mauer des abgemauerten Trakts. Der Beklagte befand sich zu diesem Zeitpunkt etwa 10 bis 15 m von der Unfallstelle entfernt. Er verrichtete dort Schweißarbeiten, wobei zwischen den Parteien umstritten ist, ob und inwieweit er Sichtkontakt zu dem Zeugen ... [A] hatte oder haben konnte.

Beim Heranziehen einer Leimbinderplatte mittels eines Zimmermannhammers verlor der Zeuge ... [A] das Gleichgewicht und stürzte von der Mauer. Dabei fiel er 5,50 m tief auf den Betonboden außerhalb des ummauerten Bereichs und zog er sich schwerste, von der Klägerin näher dargelegte, Schädel- und Wirbelsäulenverletzungen zu. Der Zeuge ... [A] ist seither querschnittsgelähmt, leidet an vollständiger Blasen- und Mastdarmentleerungsstörung, hat seinen Geruchs- und Geschmackssinn verloren und leidet an einem hirnorganischen Psychosyndrom. Er kann seinen erlernten Beruf als Zimmermann nicht mehr ausüben und erhält von der Deutschen Rentenversicherung Rente wegen voller Erwerbsminderung. Die Klägerin hat den Unfall des Klägers als Arbeitsunfall anerkannt.

Die Unfallstelle war zum Unfallzeitpunkt nur in einzelnen Teilflächen mit Sicherheitsnetzen gegen Abstürze gesichert und entsprach damit nach Auffassung des für die Baustelle eingesetzten Sicherheits- und Gesundheitskoordinators nicht den einschlägigen Unfallverhütungsvorschriften. Etwa zwei Stunden vor dem Unfall hatte der vom Liegenschaftsbetrieb ... als Bauherr beauftragte Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinator, der Zeuge ... [F], zusammen mit dem verantwortlichen Bauleiter des Bau- und Liegenschaftsbetriebs ..., dem Zeugen ... [G], gegenüber dem Beklagten die unzureichenden Sicherheitsmaßnahmen, insbesondere eine aus ihrer Sicht in mehreren Bereichen unzureichende Absturzsicherung, moniert. In einem Bautagebuch hat der Zeuge ... [F] dieses Gespräch protokolliert und als Beanstandung vermerkt, dass Schutznetze sowie an den Randseiten der Arbeitsabschnitte Schutzgeländer angebracht werden müssten. Die bereits angebrachten Schutznetze seien nicht ausreichend befestigt. In dem Protokoll wurde der Beklagte als Verantwortlicher für die Sicherungsmaßnahmen bezeichnet und als Termin für die deren Durchführung "sofort" vermerkt.

Das AG Paderborn verurteilte den Beklagten wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe.

Eine Klage des Geschädigten gegen den Beklagten und die...

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