Eppler und Kernbach definieren Nudging als Ansatz, "um Menschen durch die subtile Ausnutzung von Bequemlichkeiten und Denkfehlern für (positive) Verhaltensänderungen zu gewinnen".[1] Bekannt geworden ist der Begriff Nudge (engl. für Schubs) im Rahmen der Verhaltensökonomik durch die Wissenschaftler Richard Thaler und Cass Sunstein in deren Buch: Nudge – wie man kluge Entscheidungen anstößt (engl. Nudge: improving decisions about health, wealth and happiness).[2]

Mit ihrem Ansatz des libertären Paternalismus, also vom Staat eingesetzte Nudges, versuchen Thaler und Sunstein Erkenntnisse der Verhaltensökonomie zu nutzen, damit Menschen "bessere" bzw. "vernünftigere" Entscheidungen treffen.[3] Ein Nudge ist sozusagen ein Reiz, der das Verhalten verändert oder verändern kann, ohne irgendjemanden an irgendetwas zu hindern.[4] Eine Person soll im Moment der Entscheidung in eine gewünschte Richtung beeinflusst werden, sie soll sozusagen eine gute Entscheidung treffen. Thaler und Sunstein definieren eine gute Entscheidung als diejenige, die Menschen auf der Grundlage vollständiger Information, vorausschauenden Denkens und dementsprechenden Handelns sowie bei ausreichender Selbstkontrolle treffen. Nudges stoßen Menschen zu Entscheidungen an, die sie im Alltag eher selten oder nicht treffen würden.

Die Nudging-Methode zur Verhaltensbeeinflussung nutzt die unterschiedlichen Arten von Entscheidungssystemen unseres Denkens. So verwenden wir das System 1 für das schnelle, automatische und unbewusste Denken und System 2 für das langsame, bewusste und Dinge durchdenkende Denken (Tab. 1).

 
System 1 System 2
  • Arbeitet automatisch und schnell, weitgehend mühelos und ohne willentliche Steuerung
  • Zu den Funktionen gehören angeborene Fähigkeiten (Wahrnehmung der Umwelt, Erkennen von Gegenständen, Steuerung der Aufmerksamkeit, Vermeidung von Verlusten)
  • Lenkt die Aufmerksamkeit auf die anstrengenden mentalen Aktivitäten, die auf sie angewiesen sind, darunter auch komplexe Berechnungen
  • Die Operationen von System 2 gehen oftmals mit dem subjektiven Erleben von Handlungsmacht, Entscheidungsfreiheit und Konzentration einher.
  • Wird aktiviert, wenn ein Ereignis registriert wird, das gegen das Weltmodell von System 1 verstößt

Tab. 1: Merkmale von System 1 und System 2[5]

Um im Rahmen der Verhaltensänderung einen Anstoß in die richtige Richtung zu geben, wird System 1 herangezogen. Der Mensch hat zwar stets die Wahlmöglichkeit, jedoch dient der Nudge dazu, die vermeintlich bessere Option zu wählen, ohne dabei auf Verbote oder Gebote zurückzugreifen bzw. ökonomische Anreize zu verändern.

Entscheidungsarchitekten können anderen Menschen das Leben erleichtern, indem sie ein benutzerfreundliches Umfeld schaffen. "Entscheidungsarchitekten mit sozialem Verantwortungsbewusstsein […] wissen, dass es gut ist, die Menschen in Richtungen zu schubsen, die sie von sich aus vielleicht nicht eingeschlagen hätten. Entscheidungen zu strukturieren heißt manchmal auch, die Menschen beim Lernen zu unterstützen, damit sie später allein noch bessere Entscheidungen fällen können."[6]

Abb. 1 veranschaulicht, wie Nudging funktioniert. Das folgende Beispiel dient zur näheren Erläuterung.

Abb. 1: Funktionsweise des Nudging

 
Praxis-Beispiel

Erinnerung an Ruhemöglichkeiten

Ein Unternehmen (als Entscheidungsarchitekt) hat Ruhezonen mit komfortablen Sitz- und Liegeflächen sowie Massagesesseln eingerichtet, damit Mitarbeiter in ihren Pausen entspannen, abschalten und regenerieren können. Um deren Nutzung voranzutreiben, dient als Nudge beispielsweise eine Push-Nachricht, die vor den Pausen auf dem Computer oder anderen Monitoren im Unternehmen aufpoppt mit der Massage "ganz schön entspannt im Ruheraum" oder "arbeitest du noch, oder ruhst du schon?!". Hiermit wird der Arbeitnehmer daran erinnert, dass es Ruhemöglichkeiten gibt, jedoch kann er selbst entscheiden, wie er seine (Mittags)Pause verbringt.

[1] Eppler/Kernbach (2018): Meet up! Einfach bessere Besprechungen durch Nudging. Ein Impulsbuch für Leiter, Moderatoren und Teilnehmer von Sitzungen, Schäffer Poeschel, Stuttgart 2018.
[2] Thaler/Sunstein (2011): Nudge. Wie man kluge Entscheidungen anstößt, Ullstein, Berlin 2011.
[3] Eichhorn/Ott (2019): Nudging im Unternehmen. Den Weg für gesunde Entscheidungen bereiten, IGA-Report Nr. 38, Dresden, Institut für Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Zugriff am 9.7.2019, verfügbar unter https://www.iga-info.de/fileadmin/redakteur/Veroeffentlichungen/iga_Reporte/Dokumente/iga-Report_38_Nudging_im_Unternehmen.pdf
[4] Freund (2008): Libertärer Paternalismus: Verführung zum Guten, Zugriff am 17.12.2019, verfügbar unter https://www.welt.de/wams_print/article2406700/Libertaerer-Paternalismus-Verfuehrung-zum-Guten.html
[5] Modifiziert nach Kahneman (2012): Schnelles Denken, langsames Denken, 5. Aufl., Siedler, München 2012.
[6] Thaler/Sunstein (2011): Nudge. Wie man kluge Entscheidungen anstößt, Ullstein, Berlin 2011.

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