Entscheidungsstichwort (Thema)

Entfernungspauschale nach § 9 EStG nur für tatsächlich durchgeführte Fahrten

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die Entfernungspauschale ist nicht für fiktive Fahrten zwischen einer weiter entfernten Wohnung und der Arbeitsstätte anzusetzen, wenn der Stpfl. tatsächlich die Fahrt von einer näher gelegenen Zweitwohnung angetreten hat.
  2. Die Entfernungspauschale wird für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die Arbeitsstätte aufsucht, unter Berücksichtigung der Entfernung zwischen der Wohnung und der Arbeitsstätte gewährt. Die Entfernungspauschale setzt daher voraus, dass tatsächlich Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte durchgeführt werden.
 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4

 

Streitjahr(e)

2002

 

Tatbestand

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Entfernungspauschale für Fahrten eines Arbeitnehmers zwischen Wohnung und Arbeitsstätte auch dann anzusetzen ist, wenn der Arbeitnehmer die geltend gemachten Fahrten teilweise nicht unternommen hat, weil er während der Woche ein möbliertes Zimmer am Arbeitsort nutzt.

Der Kläger ist ledig, hat seine Wohnung in H und ist als Schweißer bei der P-GmbH beschäftigt. Sein regelmäßiger Arbeitplatz befindet sich in S. Während der Woche hält sich der Kläger in einem angemieteten Zimmer in T auf.

In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger u.a. eine Entfernungspauschale für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte geltend. Dabei gab er an, an 222 Tagen mit einem eigenen oder zur Nutzung überlassenen Pkw gefahren zu sein und dabei eine einfache Entfernung von 182 km zurückgelegt zu haben. Er arbeite fünf Tage in der Woche und sei im Streitjahr wegen Urlaubs oder Krankheit an 30 Tagen nicht zur Arbeit erschienen. Die von seiner Arbeitgeberin steuerfrei ausgezahlten Leistungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in Höhe von 2.552,29 € rechnete er gegen. Die nach den Angaben auf seiner Lohnsteuerkarte vom Arbeitgeber steuerfrei ausgezahlte Leistung für die doppelte Haushaltsführung in Höhe von 2.496,91 € berücksichtigte er in seiner Erklärung nicht.

Der Beklagte erkannte die geltend gemachten Aufwendungen nicht in voller Höhe als Werbungskosten an. Die Aufwendungen für die geltend gemachten Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte wurden auf 0 € gekürzt, weil der Kläger nach den Ermittlungen des Beklagten aus den Vorjahren eine Entfernung von nur 10 km pro Tag zurückzulegen hätte. Den so berechneten Werbungskosten in Höhe von 800 € (222 Tage x 10 Entfernungskilometer x 0,36 €) stellte der Beklagte die steuerfrei erhaltene Leistung des Arbeitgebers gegenüber. Insgesamt überstiegen die Werbungskosten nicht den Arbeitnehmer-Pauschbetrag.

Gegen den Einkommensteuerbescheid erhob der Kläger Einspruch. Zur Begründung trug er vor, dass er seine Wohnung in H unterhalte. In T nutze er zwar ein Zimmer, das aber über keine Kochgelegenheit verfüge, nicht mit einer Waschmaschine ausgestattet sei und nur eine Duschgelegenheit habe. Tatsächlich sei er an 44 Tagen von seiner Wohnung aus direkt zum Arbeitsplatz gefahren. In den übrigen Tagen während der Woche habe er den Arbeitsplatz von seinem Zimmer in T aus aufgesucht. Für die Entfernungspauschale nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG sei es nicht erforderlich, dass dem Steuerpflichtigen Aufwendungen entstanden seien. Deshalb mache er für 178 Tage Fahrten zwischen seiner Wohnung in H und seiner Arbeitsstätte in S geltend, obwohl er solche Fahrten gar nicht unternommen habe. Zusammen mit den Aufwendungen für die tatsächlich durchgeführten Fahrten errechnete sich der Kläger Werbungskosten für Fahrten in Höhe von 8.297,60 €.

Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Mit seiner Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er ist der Auffassung, dass seine Wohnung in H für die Anwendung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG entscheidend sei, weil er dort unstreitig seinen Lebensmittelpunkt habe. Der Beklagte verkenne, dass der Kläger seine Arbeitsstätte an jedem Werktag tatsächlich aufgesucht habe. Weitere Voraussetzungen enthalte die Vorschrift nicht. Wenn der Beklagte für die Ermittlung der Entfernungspauschale auf das Zimmer in T abstelle, so verkenne er, dass nach R 42 Abs. 1 Satz 3 Lohnsteuerrichtlinien (LStR) Wege von und zur Arbeitsstätte von einer weiter entfernt liegenden Wohnung aus dann berücksichtigt werden, wenn dort der Mittelpunkt der Lebensinteressen liege. Dies sei bei ihm der Fall.

Er mache nunmehr hilfsweise auch seine Aufwendungen für seine doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten geltend. Für sein Zimmer in T seien ihm Mietaufwendungen in Höhe von 14,50 € pro Tag entstanden, sodass bei 178 Übernachtungen ein Aufwand in Höhe von 2.581 € zu berücksichtigen sei. Ferner habe er 44 Familienheimfahrten mit einer einfachen Entfernung von 182 km im Streitjahr unternommen. Diese Aufwendungen habe er im bisherigen Verfahren nicht geltend gemacht, weil er den doppelten Haushalt bereits seit mehr als zwei Jahren unterhalten habe. Mit Schreiben vom…hat der Kläger seinen Hilfsantr...

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