Rz. 135

Erst nach einer 4-wöchigen ununterbrochenen Dauer des Arbeitsverhältnisses (Wartezeit) hat der Arbeitnehmer im Fall der Erkrankung einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Diese Frist dient zur Entlastung der Arbeitgeber.

Die Wartefrist führt dazu, dass ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Arbeitnehmer insgesamt ausfällt, die nicht länger als 4 Wochen ununterbrochen in einem Arbeitsverhältnis stehen. Die hierin liegende potenzielle mittelbare Frauendiskriminierung wird man vor dem Hintergrund des sozialpolitischen Regelungsziels von mehr Wachstum und Beschäftigung als gerechtfertigt ansehen können.[1]

[1] Kaiser/Dunkl/Hold/Kleinsorge, EFZG, 5. Aufl. 2000, § 3 EFZG, Rz. 126.

4.1 Fristberechnung

 

Rz. 136

Die 4-wöchige Frist – nicht Monatsfrist – beginnt am ersten Tag des Bestands des Arbeitsverhältnisses. Irrelevant sind sowohl der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses als auch der Zeitpunkt der tatsächlichen Beschäftigung.[1] Die Frist berechnet sich nach §§ 187 Abs. 2, 188 Abs. 2 BGB. Unerheblich ist dabei, wie die Arbeitszeit des Arbeitnehmers gestaltet ist, d. h. ob er an 5 oder 6 Werktagen in der Woche arbeitet.

 
Praxis-Beispiel

Im Arbeitsvertrag ist festgelegt, dass das Arbeitsverhältnis am Mittwoch, dem 1.7., beginnen soll. Dieser Tag ist der 1. Tag der 4-wöchigen Frist (§ 187 Abs. 2 BGB). Die Frist endet daher am 28.7., einem Dienstag.

Ist als Beginn des Arbeitsverhältnisses der 1.5. vereinbart, beginnt die Frist gleichwohl an diesem Tag, auch wenn nicht gearbeitet werden muss.

 

Rz. 137

Für die Dauer der Wartezeit wird die Entstehung des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung mit der Folge gehemmt, dass nach Ablauf der Frist die Entgeltfortzahlungspflicht für den Arbeitgeber ggf. für die volle Dauer von 6 Wochen beginnt.[2] In die Wartezeit fallende Krankheitstage sind daher nicht auf den 6-wöchigen Fortzahlungszeitraum anzurechnen.[3]

 
Praxis-Beispiel

In den oben genannten Beispielen beginnt der Anspruch auf Entgeltfortzahlung daher am 29.7. bzw. 29.5. Auch wenn der Arbeitnehmer vor Abschluss des Arbeitsvertrags oder vor Arbeitsbeginn noch im Juni bzw. April erkrankt oder während der 4-wöchigen Wartezeit erkrankt, hat er ab dem 29.7. bzw. 29.5. Anspruch auf 6 Wochen Lohnfortzahlung bei andauernder Erkrankung.

Während der Wartezeit hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Krankengeld (§ 44 Abs. 1 SGB V), wenn er nicht wegen Geringfügigkeit eine versicherungsfreie Beschäftigung ausübt.

[1] BAG, Urteil v. 26.5.1999, 5 AZR 476/98, AP Nr. 10 zu § 3 EFZG; Schmitt/Schmitt, EFZG, 9. Aufl. 2023, § 3 EFZG, Rz. 356 ff.; Kaiser/Dunkl/Hold/Kleinsorge, EFZG, 5. Aufl. 2000, § 3 EFZG, Rz. 127.
[2] BAG, Urteil v. 26.5.1999, 5 AZR 476/98, AP Nr. 10 zu § 3 EFZG.
[3] Vogelsang, Entgeltfortzahlung, 2003, Rz. 55; Treber, EFZG, 2. Aufl. 2007, § 3 EFZG, Rz. 103; a. A. teilweise in der Literatur, vgl. Peters-Lange, SAE 2000, S. 274 ff; Preis, NJW 1996, 3374; Giesen, RdA 1997, 193 ff; Gaumann/Schafft, NZA 2000, 811 ff.

4.2 Ausnahmen

 

Rz. 138

Die Parteien können jederzeit zugunsten des Arbeitnehmers einen Ausschluss oder eine Verkürzung der Wartefrist vereinbaren. Eine solche Regelung kann auch in einen Tarifvertrag aufgenommen werden.[1] Stammt die Regelung zur Wartezeit im Tarifvertrag aus einer Zeit vor In-Kraft-Treten der gesetzlichen Wartefrist, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob die Regelung lediglich deklaratorischen oder eigenständigen Regelungscharakter hat.[2]

 

Rz. 139

Ist der Arbeitnehmer im Anschluss an ein Ausbildungsverhältnis in das Arbeitsverhältnis übernommen worden, beginnt die Wartefrist nicht von Neuem. Zwar kann nach der Rechtsprechung des BAG das Ausbildungsverhältnis aufgrund der unterschiedlichen Pflichtenbindung mit dem Arbeitsverhältnis nicht generell gleichgesetzt werden; im Anwendungsbereich des § 3 Abs. 3 EFZG ist eine solche Gleichsetzung jedoch geboten.[3] Zum einen bezieht sich der persönliche Anwendungsbereich des EFZG bereits nach § 1 Abs. 2 EFZG auch auf Auszubildende. Zum anderen hat der Auszubildende bereits als Unternehmensangehöriger einen Arbeitsbeitrag erbracht, sodass nach Sinn und Zweck der Vorschrift eine weitere (2.) Wartezeit nicht gerechtfertigt ist.

 

Rz. 140

Eine neue Wartefrist beginnt grundsätzlich dann, wenn das Arbeitsverhältnis rechtlich unterbrochen war. Etwas anderes gilt aber in den Fällen, in denen ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen beiden Arbeitsverhältnissen besteht.[4] Diese Wertung entspricht der Rechtsprechung zu anderen gesetzlichen Wartefristen, wie § 1 Abs. 1 KSchG und § 622 Abs. 2 BGB.

 
Praxis-Beispiel

Die Vertragsparteien beenden das Arbeitsverhältnis einvernehmlich zum 30.6., da der Arbeitgeber wegen Auftragsmangels keinen Beschäftigungsbedarf mehr hat. Als unvorhergesehen ein neuer Auftrag abzuwickeln ist, stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zu denselben Bedingungen auf dem alten Arbeitsplatz zum 15.7. wieder ein. Hier besteht ein hinreichend enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang.

 

Rz. 141

Geht das Arbeitsverhältnis auf Grund eines Betriebsübergangs i. S. d. § 613a BGB auf einen neuen ...

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