Rz. 1

§ 3 EFZG ist die zentrale Norm der Entgeltfortzahlung: Sie regelt den Anspruch des Arbeitnehmers auf Entgeltfortzahlung im Fall der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit für den Zeitraum von 6 Wochen. Der Sachverhalt der unverschuldeten Arbeitsverhinderung wegen Krankheit ist durch § 3 EFZG abschließend geregelt; auf § 616 BGB kann nicht zurückgegriffen werden.[1] Die Norm stellt einen Kompromiss zur Verteilung der Kostenlast im Krankheitsfall dar. Für die Dauer von 6 Wochen sichert der Arbeitgeber den Lebensunterhalt des Arbeitnehmers[2], anschließend kommt diese Aufgabe der Krankenkasse zu.

[1] HWK/Vogelsang, 10. Aufl. 2022, § 3 EFZG, Rz. 1.
[2] Zu den Möglichkeiten eines Erstattungsanspruchs des Arbeitgebers gegen die Krankenkasse vgl. die Kommentierung zum AAG bei Schmitt/Küfner-Schmitt, EFZG, 9. Aufl. 2023.

1.1 Entwicklung der Norm

 

Rz. 2

§ 3 EFZG entspricht im Kern dem früheren § 1 LohnFG (in Kraft bis zum 31.5.1994), der allerdings nur für Arbeiter einschließlich der in Heimarbeit Beschäftigten galt. Neben der Ausdehnung des persönlichen Anwendungsbereichs auf alle Gruppen von Arbeitnehmern enthält § 3 EFZG weitere wesentliche Änderungen:

  • Während nach § 1 Abs. 1 LohnFG Voraussetzung für einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung war, dass die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit nach Beginn der Beschäftigung eingetreten ist, gewährt § 3 Abs. 1 EFZG Entgeltfortzahlung unabhängig von der Reihenfolge von Arbeitsaufnahme und Erkrankung grundsätzlich vom ersten Tag der vereinbarten Arbeitsaufnahme an. § 3 Abs. 3 EFZG, der durch das Arbeitsrechtliche Beschäftigungsförderungsgesetz 1996[1] eingefügt worden ist, schränkt den Anspruch jedoch zeitlich insoweit ein, als der Anspruch auf Entgeltfortzahlung erst nach einer Wartezeit von 4 Wochen entsteht (vgl. im Einzelnen Rz. 135).
  • Mit der Regelung in § 3 Abs. 2 EFZG hat der Gesetzgeber auf die sog. "Fristenlösungs-Entscheidung" des Bundesverfassungsgerichts[2] zur Verfassungsmäßigkeit der §§ 218 ff. StGB (Schwangerschaftsabbruch) reagiert. In Ergänzung des früheren § 1 Abs. 2 LohnFG ist eine unverschuldete Arbeitsunfähigkeit auch dann gegeben, wenn Ursache der Erkrankung ein Schwangerschaftsabbruch ist, der durch einen Arzt innerhalb von zwölf Wochen nach der Empfängnis nach dem Beratungskonzept vorgenommen wird.[3]
  • Die Ausnahmetatbestände des früheren § 1 Abs. 3 LohnFG für kurzfristig oder geringfügig Beschäftigte wurden nicht übernommen. Damit können auch Teilzeitbeschäftigte und Aushilfen einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung erwerben, solange das Arbeitsverhältnis über die Wartefrist des § 3 Abs. 3 EFZG hinaus fortbesteht.
  • Schließlich finden sich die Ausnahmebestimmungen für Auszubildende nach § 1 Abs. 4 und 5 LohnFG im EFZG nicht wieder. Nach § 1 Abs. 2 sind Arbeitnehmer i. S. d. EFZG auch die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten.
 

Rz. 3

§ 3 EFZG trat am 1.6.1994 als Nachfolgenorm zu § 1 LohnFG in Kraft.[4] Bereits 2 Jahre später änderte sich sein Wortlaut durch das Arbeitsrechtliche Beschäftigungsförderungsgesetz vom 25.9.1996[5], dessen Kernregelung die Reduzierung der Entgeltfortzahlung von 100 % auf 80 % war.[6]

[1] Vom 25.9.1996, BGBl. I S. 1476.
[2] BVerfG, Urteil v. 28.5.1993, 2 BvF 2/90, EzA LohnFG § 1 Nr. 124, NJW 1993, 1751.
[3] Vgl. im Einzelnen Rz. 128 ff.
[4] BGBl. 1994 I S. 1014.
[5] BGBl. 1996 I S. 1476.
[6] Vgl. hierzu näher Neumann-Redlin, § 4 EFZG, Rz. 3.

1.2 Rechtliche Einordnung des Anspruchs

 

Rz. 4

Die Rechtsnatur des Lohnfortzahlungsanspruchs ist umstritten. Dies liegt vorrangig an den unterschiedlichen Fassungen des § 3 EFZG in der Zeit von 1994 bis 1996 einerseits und seit 1996 andererseits. Die ursprüngliche Fassung des § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG sah vor, dass der Arbeitnehmer im Fall der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit seinen Anspruch auf Arbeitsentgelt "nicht verliert". Der originäre Lohnanspruch wurde daher aufrechterhalten. Von dieser Gestaltung ist der Gesetzgeber – zwangsläufig – abgewichen, als § 4 Abs. 1 EFZG für die Zeit vom 1.10.1996 bis zum 31.12.1998 eine Verringerung des Entgeltfortzahlungsanspruchs auf 80 % des Arbeitsentgelts vorsah. Zur Klarstellung wurde insofern ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung in § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG manifestiert.[1] Nachdem die Entgeltfortzahlung durch das Korrekturgesetz[2] wieder auf 100 % angehoben wurde, ist eine solche Klarstellung überflüssig geworden; gleichwohl hat der Gesetzgeber den Wortlaut des § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG nicht auf die alte Fassung zurückgeführt. Daher geht ein Großteil der Literatur nach wie vor davon aus, dass in § 3 EFZG ein eigenständiger Anspruch auf Entgeltfortzahlung begründet wird, der jedoch den Regeln des Arbeitsentgelts unterliegt.[3]

 

Rz. 5

Die Rechtsprechung[4] geht dagegen sogar für den Zeitraum 1.10.1996 bis 31.12.1998 davon aus, dass das Recht auf Entgeltfortzahlung keinen eigenständigen Anspruch darstellt, sondern nur entgegen dem Grundsatz "kein Lohn ohne Arbeit" den Anspruch auf Arbeitsentgelt aufrechterhält, wenn der Arbeitnehmer wegen Krankheit unverschuldet an der Arbeitserbringung verhindert ist.[5] Diese Ansicht i...

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