Rz. 21

Aus der Verweisung folgt nicht, dass die Grundsätze der Einheitlichkeit des Versicherungsfalls anwendbar sind, auch wenn § 9 Abs. 1 Satz 1 zur Begründung des Entgeltfortzahlungsanspruchs zunächst auf die Arbeitsverhinderung abstellt. Diese Arbeitsverhinderung beruht aber regelmäßig gerade nicht auf einer Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit. Vielmehr unterscheiden sich die Arbeitsverhinderung wegen einer Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit und diejenige infolge einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation erheblich.[1] Eine Krankheit kann zwar den Anlass für die Bewilligung einer Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme bilden, dies ist aber keineswegs zwingend. Gerade im Bereich der medizinischen Vorsorge richtet sich die Bewilligung nach sozialrechtlichen Kriterien, die von denen der Arbeitsunfähigkeit zu unterscheiden sind und auch – wie bei einer Mutter-Vater-Kind-Maßnahme[2] – in der gesundheitlichen Entwicklung Dritter begründet sein können. Weiter steht die zeitliche Lage und Dauer der Arbeitsverhinderung vor ihrem Beginn fest aufgrund des erforderlichen Antrags des Versicherten und der Bewilligung des Sozialleistungsträgers bzw. der ärztlichen Verordnung im Gegensatz zu der nicht planbaren Arbeitsunfähigkeit. Eine Anwendung der allgemeinen Vorschriften des EFZG kommt daher nur insoweit in Betracht, als ihr Besonderheiten der Maßnahmen der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation nicht entgegenstehen. Auch Billigkeitserwägungen begründen keine Einschränkung der Entgeltfortzahlung in den Fällen des § 9 Abs. 1 EFZG, denn eine unverhältnismäßige wirtschaftliche Belastung der Arbeitgeber wird durch die in § 9 Abs. 1 Satz 1 EFZG angeordnete Geltung des § 3 Abs. 1 Satz 2 EFZG verhindert. Trifft also eine Arbeitsverhinderung wegen einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation mit einer Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit innerhalb der Zeiträume des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 2 EFZG zusammen, und ist der Arbeitnehmer deswegen länger als 6 Wochen an der Erbringung der Arbeitsleistung verhindert, so gilt eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast. Bestreitet der Arbeitgeber, dass eine neue Erkrankung vorliegt, hat der Arbeitnehmer Tatsachen vorzutragen, die den Schluss erlauben, es habe keine Fortsetzungserkrankung bestanden. Hierzu hat er den behandelnden Arzt von der Schweigepflicht zu entbinden.[3]

 

Rz. 22

Aus der Verweisung auf § 3 EFZG folgt, dass der Anspruch auf Entgeltfortzahlung ausgeschlossen ist, wenn den Arbeitnehmer ein Verschulden[4] trifft. Wer sich die Krankheit schuldhaft zugezogen hat, die eine medizinische Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme erforderlich macht, hat folglich keinen Leistungsanspruch.[5] Es muss sich um ein grobes Verschulden gegen sich selbst handeln, d. h. ein unverständliches, leichtfertiges Verhalten des Arbeitnehmers. Dieser muss in gröbster Weise gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhalten verstoßen.[6]

 

Rz. 23

Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung ist auch für den Fall ausgeschlossen, dass die Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme nicht der einzige Grund dafür ist, dass der Arbeitnehmer seinen Arbeitspflichten nicht nachkommen kann.[7]

 
Praxis-Beispiel

Dem als Kraftfahrer beschäftigten Arbeitnehmer wird wegen einer Alkoholerkrankung die Fahrerlaubnis entzogen, gleichzeitig befindet er sich in einer medizinischen Maßnahme. Ein Entgeltfortzahlungsanspruch besteht nicht, denn die Arbeit kann bereits wegen der fehlenden Fahrerlaubnis nicht erbracht werden.[8]

Seinen Arbeitspflichten kommt der Arbeitnehmer auch dann nicht nach, wenn er sich für längere Zeit von der Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme entfernt oder er die medizinischen Vorschriften in einer Art und Weise missachtet, dass nicht mehr davon gesprochen werden kann, dass er sich der ihm bewilligten Maßnahme unterzieht.

 

Rz. 24

Kein Anspruch besteht weiter, wenn der Arbeitnehmer durch einen arbeitsgerichtlichen Vergleich bei Fortzahlung der Vergütung unwiderruflich von der Arbeitsverpflichtung freigestellt wird[9] und innerhalb dieser Zeit (über die 6 Wochen Entgeltfortzahlung hinaus) wegen derselben Krankheit eine medizinische Maßnahme durchgeführt wird.[10] Die Klammer zwischen beiden bildet dasselbe nicht behobene Grundleiden.[11] Beruhen beide Maßnahmen auf einem gemeinsamen Grundleiden, wird dem Arbeitgeber insgesamt nur eine Entgeltfortzahlungspflicht für die Dauer von 6 Wochen zugemutet. Ist ein solches Grundleiden maßgeblicher Anlass für die Bewilligung einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation und führt es später zu einer Arbeitsunfähigkeit oder umgekehrt, ist die Entgeltfortzahlung auf 6 Wochen begrenzt.[12] Dies gilt nicht, wenn der Fortsetzungszusammenhang nach Ablauf der Fristen nach § 3 Abs. 1 Satz 2 EFZG als gelöst anzusehen ist.[13] Durch den Vergleich wird nach dem Willen der Vertragsparteien kein Rechtsgrund für die Zahlungspflicht des Arbeitgebers über den gesetzlich geregelten Entgeltfortzahlungsanspr...

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