Rz. 20

Endet das Arbeitsverhältnis aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit statt durch Kündigung des Arbeitgebers einvernehmlich durch einen Aufhebungsvertrag, stellt sich die Frage, ob § 8 Abs. 1 Satz 1 EFZG entgegen seinem Wortlaut auch auf diesen Beendigungstatbestand Anwendung findet oder ob der Entgeltfortzahlungsanspruch des Arbeitnehmers nach § 8 Abs. 2 EFZG mit dem rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses zum vereinbarten Zeitpunkt ebenfalls endet. Die Beantwortung dieser Frage ist umstritten.[1]

 

Rz. 21

Nach der überwiegenden Auffassung wird eine entsprechende Anwendung des § 8 Abs. 1 Satz 1 EFZG auf Aufhebungsverträge, die im Anschluss an eine ausgesprochene Kündigung des Arbeitgebers abgeschlossen werden, bejaht.[2] Denn für die Rechtsfolge des § 8 Abs. 1 Satz 1 EFZG kann in Anbetracht des Normzwecks nur der materielle Beendigungsgrund (aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit) entscheidend sein, nicht aber dessen formelle Einkleidung in eine Kündigung oder in einen Aufhebungsvertrag.[3] Unerheblich ist, ob die Arbeitsvertragsparteien den Aufhebungsvertrag zum ursprünglich vorgesehenen Kündigungszeitpunkt abschließen oder ein früherer oder späterer Beendigungszeitpunkt gewählt wird.[4]

 

Rz. 22

Handelt es sich um einen Aufhebungsvertrag aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit ohne vorangegangene Kündigung des Arbeitgebers, wird vom BAG § 8 Abs. 1 Satz 1 EFZG aus den vorgenannten Gründen ebenfalls entsprechend angewendet.[5] Gegen eine derartige analoge Anwendung von § 8 Abs. 1 Satz 1 EFZG spricht aber seit dem Inkrafttreten des EFZG der eindeutige Wortlaut des § 8 Abs. 1 Satz 1 EFZG. Danach führt ausschließlich die Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit zur Aufrechterhaltung des Entgeltfortzahlungsanspruchs.[6] Eine gesetzgeberische Klarstellung ist bei der Formulierung des § 8 Abs. 1 Satz 1 EFZG trotz des bereits zum damaligen § 6 LohnFG bestehenden Meinungsstreits nicht erfolgt. Von einer unbewussten und damit durch Analogie ausfüllungsfähigen und -bedürftigen Regelungslücke kann somit nicht mehr ausgegangen werden.

[1] Vgl. zum Streitstand ErfK/Reinhard, 2021, § 8 EFZG, Rz. 15 ff.; Wedde/Kunz, EFZG, § 8, Rz. 10; Schmitt/Küfner-Schmitt, EFZG, 2018, § 8, Rz. 20 ff.
[2] BAG, Urteil v. 28.11.1979, 5 AZR 955/77; ErfK/Reinhard, 2021, § 8 EFZG, Rz. 16; Knorr/Krasney, Entgeltfortzahlung-Krankengeld-Mutterschaftsgeld, Stand August 2019, § 8 EFZG, Rz. 21; Wedde/Kunz, EFZG, § 8, Rz. 10; Schmitt/Küfner-Schmitt, EFZG, 2018, § 8, Rz. 21, 22; Henssler/Willemsen/Kalb/Vogelsang, Arbeitsrecht Kommentar, 2020, § 8 EFZG, Rz. 12; MünchKomm BGB/Müller-Glöge, 2020, § 8 EFZG, Rz. 17.
[3] BAG, Urteil v. 28.11.1979, 5 AZR 955/77; ErfK/Reinhard, 2021, § 8 EFZG, Rz. 16; Wedde/Kunz, EFZG, § 8, Rz. 10; Schmitt/Küfner-Schmitt, EFZG, 2018, § 8, Rz. 21, 22; Knorr/Krasney, Entgeltfortzahlung-Krankengeld-Mutterschaftsgeld, Stand August 2019, § 8 EFZG, Rz. 21.
[4] Schmitt/Küfner-Schmitt, EFZG, 2018, § 8, Rz. 22.
[5] BAG, Urteil v. 28.11.1979, 5 AZR 955/77; Feichtinger, DB 1983 S. 1203; Wedde/Kunz, EFZG,§ 8, Rz. 10; Schmitt/Küfner-Schmitt, EFZG, 2018, § 8, Rz. 24; Staudinger/Oetker, BGB, 2019, § 616, Rz. 432.
[6] ErfK/Reinhard, 2021, § 8 EFZG, Rz. 17; Henssler/Willemsen/Kalb/Vogelsang, Arbeitsrecht Kommentar, 2020, § 8 EFZG, Rz. 12; MünchKomm BGB/Müller-Glöge, 2020, § 8 EFZG, Rz. 17; Treber, EFZG, § 8, Rz. 11.

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