Rz. 26

Ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 7 Abs. 1 EFZG kann der Arbeitgeber nur geltend machen, wenn der Arbeitnehmer gem. § 7 Abs. 2 EFZG die das Leistungsverweigerungsrecht begründende Pflichtverletzung zu vertreten hat. Der Arbeitnehmer muss daher vorsätzlich oder fahrlässig i. S. d. § 276 Abs. 1 BGB seine Pflichten verletzt haben.[1]

 

Rz. 27

Der Arbeitnehmer handelt mit Vorsatz, wenn er mit Wissen und Wollen[2] die ihm obliegenden Pflichten nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG verletzt. Fahrlässigkeit liegt gem. § 276 Abs. 2 BGB vor, wenn der Arbeitnehmer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Dies ist der Fall, wenn die Pflichtverletzung für den Arbeitnehmer voraussehbar und vermeidbar war.[3] Im Anwendungsbereich des § 7 EFZG ist für das Bestehen eines Leistungsverweigerungsrechts des Arbeitgebers der Grad der Fahrlässigkeit (grobe, mittlere und leichte Fahrlässigkeit) anders als im arbeitsrechtlichen Haftungsrecht unerheblich mit der Folge, dass zugunsten des Arbeitnehmers keine Haftungsprivilegien eingreifen.[4]

 

Rz. 28

Der Arbeitnehmer haftet im Rahmen des § 7 Abs. 2 EFZG nicht nur für eigenes Verschulden, sondern gem. § 278 BGB auch für das Verschulden von Personen, derer er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeiten bedient (Erfüllungsgehilfen).[5]

 
Praxis-Beispiel

Übergibt der Arbeitnehmer die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einem Boten mit dem Auftrag, diese dem Arbeitgeber zu bringen, und unterlässt der Bote dies schuldhaft, so muss sich der Arbeitnehmer das Verhalten des Dritten zurechnen lassen.

Für ein schuldhaftes Fehlverhalten des behandelnden Arztes, z. B. bei unvollständiger Ausfüllung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, hat der Arbeitnehmer nicht einzustehen.[6] Der behandelnde Arzt kann nicht als Erfüllungsgehilfe i. S. d. § 278 BGB angesehen werden. Dem Arbeitnehmer obliegt in Bezug auf den Nachweis der Arbeitsunfähigkeit nur die Verpflichtung, einen Arzt hinzuzuziehen und diesen mit der Ausstellung eines entsprechenden Attestes zu beauftragen, nicht aber dieses selbst zu erstellen. Bei der Ausstellung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wird der Arzt daher nicht zur Erfüllung einer Verbindlichkeit des Arbeitnehmers tätig.[7]

 

Rz. 29

Ob der Arbeitnehmer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen und somit fahrlässig seine Pflichten verletzt hat, ist in jedem Einzelfall gesondert zu prüfen.[8]

 

Beispiel für ein schuldhaftes Handeln des Arbeitnehmers[9]

  • Der Arbeitnehmer gibt eine ihm vorliegende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gar nicht oder erst nach Tagen (verspätet) zur Post.
  • Der Arbeitnehmer sucht einen Arzt so spät auf, dass dieser ihm die Arbeitsunfähigkeit nicht mehr attestieren kann.
  • Der Arbeitnehmer schließt einen Abfindungsvergleich mit der Haftpflichtversicherung des Schädigers, ohne Rücksprache mit dem Arbeitgeber zu nehmen.
[1] ErfK/Reinhard, § 7 EFZG, Rz. 15; Wedde/Kunz, EFZG, § 7, Rz. 31; Schmitt, EFZG, § 7 Rz. 53; Vogelsang, Rz. 411.
[2] Jauernig/Stadler, § 276 BGB, Rz. 15; Grüneberg, § 276 BGB, Rz. 10.
[3] Vgl. Jauernig/Stadler, § 276 BGB, Rz. 23; Grüneberg, § 276 BGB, Rz. 12.
[4] ErfK/Reinhard, § 7 EFZG, Rz. 15; Schmitt, EFZG, § 7, Rz. 53; Vogelsang, Rz. 411; einschränkend Feichtinger/Malkmus, EFZG, § 7, Rz. 33 f.; Wedde/Kunz, EFZG, § 7, Rz. 31.
[5] ErfK/Reinhard, § 7 EFZG, Rz. 15; Schmitt, EFZG, § 7, Rz. 54; Vogelsang, Rz. 412.
[6] Wedde/Kunz, EFZG, § 7 Rz. 12; Vogelsang, Rz. 413 m. w. N.; a. A. Schmitt, EFZG, § 7, Rz. 57 f. unter Hinweis auf das Recht der freien Arztwahl des Arbeitnehmers; einschränkend auch ErfK/Reinhard, § 7 EFZG, Rz. 17.
[7] Vogelsang, Rz. 413 m. w. N.
[8] ErfK/Reinhard, § 7 EFZG, Rz. 15; Schmitt, EFZG, § 7, Rz. 55.
[9] Vgl. ErfK/Reinhard, § 7 EFZG, Rz. 16; Schmitt, EFZG, § 7, Rz. 55 ff.

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