Rz. 16

Der Arbeitgeber hat nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG grundsätzlich nur ein vorläufiges Leistungsverweigerungsrecht. Er kann daher die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nur verweigern, solange der Arbeitnehmer seine Pflichten aus § 5 Abs. 1 oder § 5 Abs. 2 EFZG nicht erfüllt. Kommt der Arbeitnehmer seinen Pflichten nach, entfällt das Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitgebers. Es erlischt rückwirkend.[1] Der Arbeitgeber ist daher dem Arbeitnehmer für den gesamten Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit (ab dem ersten Tag) zur Entgeltfortzahlung verpflichtet und nicht erst ab dem Zeitpunkt des Wegfalls der Voraussetzungen für das Leistungsverweigerungsrecht. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer erst nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit diese durch Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nachweist.[2]

Die rückwirkende Zahlungsverpflichtung führt nicht zu einem rückwirkenden Eintritt eines Schuldnerverzugs aufseiten des Arbeitgebers. Das Leistungsverweigerungsrecht schließt als rechtshemmende Einrede den Schuldnerverzug des Arbeitgebers (§ 286 BGB) und damit Verzugszinsansprüche des Arbeitnehmers aus.[3]

Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Fortzahlung des Entgelts wird jedoch sofort und nicht erst mit der nächsten Abrechnung fällig.[4]

 

Rz. 17

Unter bestimmten Umständen kann aus dem vorläufigen Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitgebers gem. § 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG faktisch auch ein endgültiges Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitgebers werden.[5]

 
Praxis-Beispiel
  • Der Arbeitnehmer weigert sich endgültig, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen oder die Arbeitsunfähigkeit auf andere Art nachzuweisen.
  • Der Arbeitnehmer sucht den Arzt so spät auf, dass dieser nicht den gesamten Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit durch eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung oder durch andere Beweismittel nachweisen kann.
 

Rz. 18

Insbesondere bei Auslandserkrankungen des Arbeitnehmers kann das vorläufige zu einem endgültigen Leistungsverweigerungsrecht werden. Eine rückwirkende Mitteilung der Arbeitsunfähigkeit kann ihren Zweck nicht mehr erfüllen, sodass der Arbeitgeber für die Vergangenheit berechtigt ist, die Entgeltfortzahlung dauerhaft zu verweigern.[6] Hierin liegt keine rechtswidrige Ungleichbehandlung des im Ausland erkrankten Arbeitnehmers gegenüber dem im Inland erkrankten Arbeitnehmer, bei dem die Verletzung der Anzeigepflicht kein Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitgebers begründet. Der sachliche Grund für die Ungleichbehandlung ist darin zu sehen, dass die Anzeige bei Auslandserkrankungen dem Arbeitgeber ermöglichen soll, eine ärztliche Untersuchung am Aufenthaltsort zu veranlassen.[7]

Der nachträgliche Nachweis einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit während eines Auslandsaufenthalts kann für den Arbeitnehmer mit erheblichen Beweisschwierigkeiten verbunden sein und daher ebenfalls ein endgültiges Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitgebers begründen.[8]

 

Rz. 19

Der Arbeitgeber kann sich allerdings nicht auf ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG berufen, wenn die Arbeitsunfähigkeit unstreitig oder anderweitig nachgewiesen ist.[9] In diesen Fällen bedarf es keiner Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Die Vorschriften der §§ 5 und 7 EFZG sollen Konflikte zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer regeln oder vermeiden, nicht aber zur Durchsetzung rein formaler Standpunkte dienen.[10]

[1] ErfK/Reinhard, § 7 EFZG, Rz. 9; Schmitt, EFZG, § 7, Rz. 29.
[2] Schmitt, EFZG, § 7, Rz. 30.
[3] Vogelsang, Rz. 416; Schmitt, EFZG, § 7 Rz. 31.
[5] ErfK/Reinhard, § 7 EFZG, Rz. 9; Schmitt, EFZG, § 7, Rz. 34 ff; Vogelsang, Rz. 417.
[6] Schmitt, EFZG, § 7, Rz. 37.
[7] BT-Drucks. 12/5798 S. 26; Schmitt, EFZG, § 7, Rz. 37; a. A. Wedde/Kunz, EFZG, § 7, Rz. 20.
[10] ErfK/Reinhard, § 7 EFZG, Rz. 10; Vogelsang, Rz. 417.

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