Rz. 16a

Bislang ist nicht höchstrichterlich entschieden, ob es mit § 4a EFZG zu vereinbaren ist, wenn vertragliche Mehrurlaubsansprüche, also solche, die über den gesetzlichen Mindesturlaub[1] hinausgehen, einer Kürzung für den Fall krankheitsbedingter Fehlzeiten zugeführt werden. Können also die Arbeitsvertragsparteien z. B. vereinbaren, dass für je 4 krankheitsbedingte Fehltage ein zusätzlicher vertraglicher Urlaubstag entfällt und/oder gekürzt wird[2]? Das BAG konnte die Frage unbeantwortet lassen. Es hielt die entsprechende Kürzungsvereinbarung bereits für unwirksam, weil sie nicht transparent war und damit gegen § 307 Abs. 1 BGB verstoßen hat.[3] Bejaht man die Anwendbarkeit von § 4a EFZG auf Mehrurlaubsansprüche, würde eine solche Regelung auch für bereits entstandene Urlaubsansprüche gelten, die dem Arbeitnehmer noch nicht durch tatsächliche Freistellung gewährt wurden.[4] Wirksam kann die Kürzungsvereinbarung im Arbeitsvertrag jedoch nur für zusätzliche vertragliche Urlaubsansprüche geregelt werden, nicht dagegen für solche, die auf Gesetz, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung beruhen.[5]

 
Hinweis

Hat der Arbeitgeber schon zusätzlichen vertraglichen Urlaub gewährt, bevor die krankheitsbedingten Fehltage auftreten, scheidet eine nachträgliche Kürzung des Urlaubsanspruchs aus. Die tatsächliche Freistellung kann nicht rückabgewickelt werden. Zurückverlangen könnte der Arbeitgeber allenfalls das im Urlaubszeitraum gewährte Urlaubsentgelt.[6] Für den gesetzlichen Urlaub verbietet das § 5 Abs. 3 BUrlG.[7] Eine Übertragung dieser Regelung wird jedenfalls auf vertragliche Regelungen befürwortet, die der Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB (Allgemeine Geschäftsbedingungen) unterfallen. Denn § 5 Abs. 3 BUrlG enthalte nicht nur eine Zweckmäßigkeitserwägung, sondern eine Ausprägung des Gerechtigkeitsgebots. In der Abweichung von diesem gesetzlichen Leitbild liege eine unangemessene Benachteiligung i. S. v. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.[8] Diese Auffassung berücksichtigt nicht, dass § 5 Abs. 3 BUrlG kein generelles Rückforderungsverbot beinhaltet, sondern nach dessen klaren Wortlaut auf die Fälle des gekürzten Vollurlaubsanspruchs nach § 5 Abs. 1c BUrlG begrenzt ist. Für sonstige Fälle, in denen zu viel Urlaub gewährt und damit zu viel Urlaubsentgelt gezahlt wurde, kommen dagegen Rückforderungsansprüche nach §§ 812 ff. BGB in Betracht.[9] Aus § 4a EFZG lässt sich auch nicht ableiten, dass rückwirkende Kürzungen generell ausgeschlossen sind. Gegen einen Rückforderungsanspruch des Arbeitgebers spricht dagegen, dass der Arbeitnehmer in diesen Fällen nicht nur die Rückzahlung von zusätzlich zum laufenden Entgelt gewährten Zahlungen zu leisten hat, sondern die Rückzahlung der laufenden Vergütung, die der Arbeitgeber für die Dauer des Urlaubs fortbezahlt hat.[10] Der Wortlaut des § 4a Satz 1 EFZG spricht dagegen von der Kürzung von Leistungen, die der Arbeitgeber "zusätzlich zum laufenden Arbeitsentgelt" erbringt. Das ist beim Urlaubsentgelt gerade nicht der Fall. Zusätzlich ist nur die (bezahlte) Freistellung, die aber nicht rückabgewickelt werden kann. Der Arbeitnehmer wird deshalb darauf vertrauen dürfen, die einmal bezahlte Urlaubsvergütung behalten zu dürfen.[11]

[2] LAG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 1.3.2012, 11 Sa 647/11: Das LAG hat den Anwendungsbereich des § 4a EFZG jedenfalls dann als eröffnet angesehen, wenn der Anspruch auf übergesetzlichen Urlaub mit dem Anspruch auf ein zusätzliches Urlaubsgeld akzessorisch verknüpft ist. Durch diese Verknüpfung beinhalte der Urlaubsgewährungsanspruch einen Zahlungsanspruch, der unter § 4a EFZG fällt.
[4] Linck/Schütz, Festschrift Leinemann, S. 171, 182 f.
[7] Arnold/Tillmanns/Arnold, BUrlG, 2020, § 5, Rz. 39 ff.
[8] Linck/Schütz, Festschrift Leinemann, S. 171, 184.
[9] Arnold/Tillmanns/Arnold, BUrlG, 2014, § 5, Rz. 45 ff.
[11] Linck/Schütz, Festschrift Leinemann, S. 171, 184.

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