Rz. 113

Neben der Begrenzung der Entgeltfortzahlung auf 6 Wochen enthält das Gesetz eine weitere Anspruchsbeschränkung, die der wirtschaftlichen Entlastung des Arbeitgebers dient.[1] Wird der Arbeitnehmer infolge derselben Krankheit erneut arbeitsunfähig, hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung nur für insgesamt höchstens 6 Wochen (§ 3 Abs. 1 Satz 2 Hs. 1 EFZG).

 
Praxis-Beispiel

Arbeitnehmer A war wegen einer Magenerkrankung für insgesamt 5 Wochen im Mai und Juni arbeitsunfähig. Nachdem er im Juni seine Arbeit wieder aufgenommen hatte, erleidet er einen Rückfall und ist erneut im Juli für weitere 3 Wochen arbeitsunfähig. A hat nur für insgesamt 6 Wochen Anspruch auf Entgeltfortzahlung, sodass er von seinem Arbeitgeber im Juli nur noch für 1 Woche das Entgelt nach § 3 EFZG verlangen kann.

Das bedeutet umgekehrt, dass der Anspruch auf Entgeltfortzahlung für einen weiteren Zeitraum von 6 Wochen bei einer Verhinderung infolge einer neuen Krankheit entsteht. Nach dem Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalles[2] beginnt eine neue Lohnfortzahlungsperiode nur dann, wenn 2 selbstständige Verhinderungsfälle vorliegen, d. h. wenn der Arbeitnehmer zwischen 2 Krankheiten tatsächlich arbeitet oder wenn er zwischen den beiden Krankheiten zwar arbeitsfähig war, tatsächlich aber nicht arbeiten konnte, weil er nur für wenige außerhalb der Arbeitszeit liegende Stunden arbeitsfähig war.[3] Das BAG[4] hat entschieden, dass ein einheitlicher Verhinderungsfall regelmäßig dann hinreichend indiziert ist, wenn zwischen einer "ersten" krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit und einer dem Arbeitnehmer im Wege der "Erstbescheinigung" attestierten weiteren Arbeitsunfähigkeit ein enger zeitlicher Zusammenhang besteht. Hiervon sei auszugehen, wenn die bescheinigten Arbeitsverhinderungen zeitlich entweder unmittelbar aufeinanderfolgen oder zwischen ihnen lediglich ein für den erkrankten Arbeitnehmer arbeitsfreier Tag oder ein arbeitsfreies Wochenende liegt.

Die Anspruchsbeschränkung auf 6 Wochen hat für 2 Fälle Ausnahmen erfahren:

  1. Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht erneut für einen vollen 6-Wochen-Zeitraum, wenn der Arbeitnehmer vor der Arbeitsunfähigkeit für wenigstens 6 Monate nicht infolge derselben Krankheit arbeitsunfähig war (§ 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EFZG).
  2. Dasselbe gilt, wenn seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit eine Frist von 12 Monaten abgelaufen ist (§ 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EFZG).
[1] BAG, Urteil v. 18.1.1995, 5 AZR 818/93, AP Nr. 8 zu § 7 LohnFG, DB 1995, 1968; Urteil v. 10.9.2014, 10 AZR 651/12, AP Nr. 3 zu § 9 EntgeltFG, NZA 2014, 1139.
[2] BAG, Urteil v. 2.12.1981, 5 AZR 89/80, AP Nr. 48 zu § 1 LohnFG, DB 1982, 601; Urteil v. 13.7.2005, 5 AZR 389/04, AP Nr. 25 zu § 3 EntgeltFG, DB 2005, 2359.
[4] Urteil v. 11.12.2019, 5 AZR 505/18, AP Nr. 34 zu § 3 EntgeltFG, NZA 2020, 446.

2.5.1 Dasselbe Arbeitsverhältnis

 

Rz. 114

Die Regelung zur Beschränkung der Entgeltfortzahlung bei einer wiederholten Arbeitsunfähigkeit kommt nur in demselben Arbeitsverhältnis zur Anwendung.[1] Wechselt der Arbeitnehmer nach einer ersten Erkrankung den Arbeitsplatz, kann der neue Arbeitgeber sich im Fall einer erneuten Erkrankung nicht darauf berufen, dass sein "Vorgänger" wegen derselben Krankheit bereits Entgeltfortzahlung geleistet hat. Denn der Schutzgedanke, den Arbeitgeber nicht übermäßig wirtschaftlich zu belasten, kann nicht für den Arbeitgeber gelten, der noch gar keine Entgeltfortzahlung geleistet hat.

 

Rz. 115

Es handelt sich um dasselbe Arbeitsverhältnis, wenn dieses infolge eines Betriebsübergangs i. S. d. § 613a BGB auf einen neuen Arbeitgeber übergeht oder unmittelbar im Anschluss an ein Ausbildungsverhältnis begründet wird.[2] Ein einheitliches Arbeitsverhältnis i. S. d. § 3 EFZG ist auch dann anzunehmen, wenn das Arbeitsverhältnis formell ordnungsgemäß beendet wurde, dieselben Vertragsparteien aber in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang ein Arbeitsverhältnis neu begründen.[3] Es gelten hier dieselben Wertungsmaßstäbe wie bei der Frage einer erneuten Wartezeit nach § 3 Abs. 3 EFZG bei der formellen Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses.[4]

[1] BAG, Urteil v. 23.12.1971, 1 AZR 126/71, AP Nr. 10 zu § 1 LohnFG, DB 1972, 733.
[2] ErfK/Reinhard, 24. Aufl. 2024, § 3 EFZG, Rz. 42; Schmitt/Schmitt, EFZG, 9. Aufl. 2023, § 3 EFZG, Rz. 306.
[3] BAG, Urteil v. 22.8.2001, 5 AZR 699/99, AP Nr. 11 zu § 3 EntgeltFG; Schmitt/Schmitt, EFZG, 9. Aufl. 2023, § 3 EFZG, Rz. 305.
[4] S. Rz. 140.

2.5.2 Fortsetzungserkrankung

 

Rz. 116

Ein Fortsetzungszusammenhang wird angenommen (es handelt sich also um dieselbe Erkrankung), wenn verschiedene Erkrankungen auf demselben nicht ausgeheilten Grundleiden beruhen bzw. wenn sie auf dieselbe chronische Veranlagung des Arbeitnehmers zurückzuführen sind.[1] Dasselbe medizinisch nicht behobene Grundleiden kann dabei in unterschiedlichen Krankheitserscheinungen zutage treten, die jeweils als Fortsetzungserkrankung zu werten sind. Dabei kann es sich um verschiedene Krankheits...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Personal Office Platin. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge