Rz. 99

Der Arbeitnehmer hat für die Dauer von 6 Wochen einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei andauernder Arbeitsunfähigkeit (§ 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG). Insoweit stellt sich die Frage, wann genau der Anspruch beginnt, wie die Dauer berechnet wird und wann der Anspruch endet. Auf die Fristberechnung finden insbesondere die §§ 187, 188 BGB Anwendung.

2.4.1 Beginn der Entgeltfortzahlung

 

Rz. 100

Ab dem Zeitpunkt der die Arbeitsunfähigkeit begründenden Erkrankung hat der Arbeitnehmer Anspruch auf die Entgeltfortzahlung, soweit er die Wartefrist des § 3 Abs. 3 EFZG erfüllt hat.[1] Unerheblich ist dabei, wann der Arbeitnehmer den Arzt aufgesucht und dieser eine Krankheit attestiert hat.[2] Die Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann nur Auswirkungen auf das Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitgebers nach § 7 EFZG haben[3], der Entgeltfortzahlungsanspruch wird hiervon nicht berührt. Hat der Arbeitnehmer trotz objektiv bestehender Arbeitsunfähigkeit seine Arbeitsleistung erbracht, hat er keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung, sondern auf Lohn nach § 611 BGB i. V. m. seinem Arbeitsvertrag.

[2] Treber, EFZG, 2. Aufl. 2007, § 3 EFZG, Rz. 110; Feichtinger/Malkmus, EFZR, 2. Aufl. 2010, § 3 EFZG, Rz. 200; Schmitt/Schmitt, EFZG, 9. Aufl. 2023, § 3 EFZG, Rz. 215; Vogelsang, Entgeltfortzahlung, 2003, Rz. 174.
[3] Vgl. hierzu im Einzelnen Springer, § 7 EFZG, Rz. 5 ff.

2.4.1.1 Tag der Erkrankung

 

Rz. 101

Für die Frage, ob der Anspruch auf Entgeltfortzahlung bereits am Tag der Erkrankung oder danach beginnt, ist zu differenzieren: Tritt die Erkrankung erst während oder nach der vollständigen Arbeitsleistung, also jedenfalls nach der täglichen Arbeitsaufnahme ein, beginnt der Anspruch auf Entgeltfortzahlung erst am nächsten Kalendertag (§ 187 Abs. 1 BGB). Für den Tag der (teilweisen) Arbeitsleistung erhält der Arbeitnehmer sein Entgelt.[1] Unterschiede zur Anspruchsbejahung liegen nur in der Begründung, sofern der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung nicht vollumfänglich erbracht hat. Während teilweise aus Gewohnheitsrecht[2] oder der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers der uneingeschränkte Anspruch nach § 611a BGB bejaht wird, ist nach anderer Ansicht[3] auf § 3 EFZG zurückzugreifen, wobei wegen der Berechnungsvorschrift des § 187 Abs. 1 BGB nur volle Tage für die 6-Wochen-Frist zählen.

 
Praxis-Beispiel

Der Arbeitnehmer nimmt am 1.7. (Montag) wie regelmäßig um 8 Uhr seine Arbeit auf. Da er an einer Magenverstimmung leidet, verlässt er vor Arbeitsende bereits um 14 Uhr seinen Arbeitsplatz und meldet sich nach einem Arztbesuch für die nächsten Tage krank. Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 3 EFZG beginnt am 2.7., für den 1.7. hat der Arbeitnehmer einen uneingeschränkten Lohnanspruch.

 

Rz. 102

Etwas anderes gilt entgegen dem Wortlaut des § 187 Abs. 1 BGB dann, wenn der Arbeitnehmer vor der Arbeitsaufnahme erkrankt und die Arbeit erst gar nicht aufnimmt. In diesem Fall gilt der Tag der Erkrankung bereits als erster Tag der Entgeltfortzahlung.[4]

 
Praxis-Beispiel

Der Arbeitnehmer fühlt sich bereits am Morgen des 1.7. nicht in der Lage, die Arbeit aufzunehmen, und meldet sich sogleich arbeitsunfähig krank. Der 6-Wochen-Zeitraum der Entgeltfortzahlung beginnt am 1.7.

 

Rz. 103

Erkrankt der Arbeitnehmer an einem Sonn- oder Feiertag, an dem keine Arbeitspflicht besteht, beginnt die Entgeltfortzahlung und die Berechnung der 6-Wochen-Frist mit dem ersten aufgrund der Krankheit ausgefallenen Arbeitstag.

[1] BAG, Urteil v. 4.5.1971, 1 AZR 305/70, AP Nr. 3 zu § 1 LohnFG, DB 1971, 1482.
[2] BAG, Urteil v. 22.2.1973, 5 AZR 461/72, AP Nr. 28 zu § 1 LohnFG; BAG, Urteil v. 4.5.1971, 1 AZR 305/70, AP Nr. 3 zu § 1 LohnFG, DB 1971, 1482.
[3] Treber, EFZG, 2. Aufl. 2007, § 3 EFZG, Rz. 111; Vogelsang, Entgeltfortzahlung, 2003, Rz. 179.
[4] ErfK/Reinhard, 24. Aufl. 2024, § 3 EFZG, Rz. 34.

2.4.1.2 Ruhen des Arbeitsverhältnisses

 

Rz. 104

Wenn der Arbeitnehmer zu einem Zeitpunkt erkrankt, zu dem das Arbeitsverhältnis ruht, z. B. während des Mutterschutzes, der Elternzeit, einer witterungsbedingten Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses, des freiwilligen Wehrdienstes oder einer Wehrübung oder eines unbezahlten Urlaubs, besteht kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Aber auch die Frist der Entgeltfortzahlung beginnt dann nicht während dieses Zeitraums mit dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit. Der Anspruchszeitraum verschiebt sich und beginnt an dem Tag, an dem der Ruhenstatbestand beendet ist, d. h. mit dem Einsetzen der Entgeltfortzahlung.[1]

Wird das Arbeitsverhältnis während eines Entgeltfortzahlungszeitraums in der Weise unterbrochen, dass die Arbeitspflicht ruht, etwa aufgrund witterungsbedingter Unmöglichkeit der Arbeitsleistung, ruht auch der Anspruch auf Entgeltfortzahlung während dieser Unterbrechung. Das hat zur Folge, dass nach Wiedereinstellung bzw. Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses die Entgeltfortzahlung bis zur Dauer von insgesamt 42 Kalendertagen (also unter Anrechnung des ersten Entgeltfortzahlungszeitraums) wieder aufgenommen wird.[2] Von diesen Grundsätzen abweichende Regelungen verstoßen gegen § 12 EFZG und sind unwirksam, § 134...

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