Zusammenfassung

 
Überblick

Die Auszahlung des Mindestlohns wird gesetzlich besonders geschützt. Dies hat erhebliche Folgen auf bestehende und zukünftige Vergütungsvereinbarungen wie Arbeitsverträge, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen. Der folgende Beitrag soll die für Arbeitgeber bestehenden rechtlichen Unsicherheiten bzw. finanziellen Risiken aufklären.

1 Prüfung bestehender Vergütungsregelungen auf Anpassungsbedarf

1.1 Ausgangslage

Bestehende Vergütungsregelungen müssen grundsätzlich daraufhin überprüft werden, ob diese unter Berücksichtigung des Mindestlohns und einer eventuellen Anrechenbarkeit bzw. fehlenden Anrechenbarkeit von Vergütungsbestandteilen auf den Mindestlohn angepasst werden müssen.

 
Achtung

Ausgangsfrage, die sich Arbeitgeber stellen müssen

Enthalten die Vergütungsregelungen z. B. in Arbeitsverträgen und/oder Betriebsvereinbarungen eine ausdrückliche Aussage zum Zweck der Leistung, die eine Anrechenbarkeit zumindest diskutabel macht?

Es ist rechtlich hinsichtlich aller monatlich – neben dem Gehalt – gezahlten weiteren Vergütungsbestandteile zwischenzeitlich geklärt, dass diejenigen Vergütungsbestandteile auf den Mindestlohn angerechnet werden können, die eine unwiderrufliche Gegenleistung für die Arbeitsleistung darstellen; anders ist dies bei Gratifikationen, die für einen besonderen Zweck gezahlt werden.[1]

[1] Zur Vertiefung vgl. Mindestlohn: Anrechnung besonderer Vergütungsbestandteile, vgl. auch zur funktionalen Gleichwertigkeit der zu vergleichenden Leistungen, vgl. dazu BAG, Urteil v. 21.12.2016, 5 AZR 374/16, LAG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 11.8.2015, 19 Sa 819/15, 19 Sa 827/15, 19 Sa 1156/15.

1.2 Probleme bei Provisionsvereinbarungen und variablen Vergütungsbestandteilen

Die rechtlichen Unsicherheiten bestehen insbesondere im Fall von dem Arbeitnehmer gewährten Vorschüssen z. B. auf Provisionen, die dann im Nachgang – sollte der Vorschuss der Höhe nach zu hoch gewesen sein – wieder mit anderen Vergütungsansprüchen verrechnet werden können.

 
Praxis-Beispiel

Provisionsberechnung

Ein Vertreter für Staubsauger mit monatlich 160 Arbeitsstunden erhält ein Fixum i. H. v. 900 EUR. Aufgrund von Provisionen erzielt er in der Regel weitere 1.000–1.200 EUR pro Monat, sodass sein Gesamteinkommen bei ca. 2.100 EUR liegt. Zahlt der Arbeitgeber dem Vertreter tatsächlich 2.100 EUR aus und steht die Provisionszahlung nicht unter dem Vorbehalt, dass diese ggf. aufgrund späterer Nachprüfungen mit anderen Vergütungsansprüchen verrechnet werden kann, hätte der Vertreter 13,12 EUR pro Stunde (2.100 EUR/160 Stunden) und damit mehr als den Mindestlohn i. H. v. 12,41 EUR erhalten.

Rechtlich schwierig könnte es werden, wenn

  • die Provisionszahlungen immer erst dann geleistet werden, wenn z. B. der Kunde auch den Staubsauger bezahlt hat und es damit zu zeitlichen Verzögerungen kommt,
  • die Provisionszahlungen nicht den einzelnen Monaten zugeordnet werden können, da diese für mehrere Monate in Summe gezahlt werden, oder
  • der Arbeitnehmer nicht die erforderlichen Provisionen erwirtschaftet hat und dann gezahlte Vorschüsse mit anderen Vergütungsansprüchen verrechnet werden.

Allein nach dem Wortlaut des Gesetzes unter Berücksichtigung der dort enthaltenen Fälligkeitsbestimmung, wonach der Mindestlohn spätestens am letzten Bankarbeitstag des Monats, der auf den Monat folgt, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde, zu zahlen ist, wird angenommen, dass nur diejenigen monatlichen Zahlungen auf den Mindestlohn angerechnet werden können, die der Mitarbeiter "unwiderruflich" und damit ohne Vorbehalt erhält. Auf den gesetzlichen Mindestlohn sind daher nur solche Leistungen anzurechnen, auf die der Arbeitnehmer zum gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkt einen unwiderruflichen Anspruch hat. Im Hinblick auf Provisionen ist dies damit nur bei Mindest- oder Garantieprovisionen der Fall.

2 Änderung von Vergütungsvereinbarungen

Im Ergebnis erfordert dies aber ggf. eine Abänderung der bestehenden Provisionsvereinbarungen/Zielvereinbarungen, wenn der Mitarbeiter ohne die Provision bzw. die variable Vergütung pro Monat – unter Berücksichtigung der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden – weniger als 12,41 EUR pro Stunde ausgezahlt bekommt.

 
Hinweis

Keine Anpassungen bei Zahlung des Mindestlohns notwendig

Sollte der Mitarbeiter pro Arbeitsstunde mehr als 12,41 EUR verdienen, ist eine Änderung bestehender Vereinbarungen nicht notwendig.

 
Wichtig

Anpassung der Arbeitsverträge bei Festgehalt unter Mindestlohn ist zu empfehlen

Bei Mitarbeitern, die allein unter Berücksichtigung des monatlich fest ausgezahlten Betrags und der mindestlohnfähigen Entgeltbestandteile pro Arbeitsstunde weniger als 125 EUR erhalten, sollten die bestehenden Arbeitsverträge überprüft und angepasst werden.

Änderung bestehender Arbeitsverträge

Die Anpassung von Arbeitsverträgen kann mit dem Mitarbeiter nur einvernehmlich erfolgen. Im Ergebnis kann dies – sollte eine Anpassung rechtlich notwendig sein – dazu führen, dass sich das Verhältnis von fixen und variablen Vergütungsbestandteilen verändert. Der Mitarbeiter wird jedoch Änderungen, die allein aufgrund des MiLoG erfolgen, akzeptieren müssen, anderenfalls verhält er sich treuwidrig. Eine Änderungskündigung zur Anpassung des Gehalts und einer U...

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