2.1 Beitrags-/versicherungsrechtliche Folgen

Unabhängig davon, ob Arbeitnehmer ihren Vergütungsanspruch nach dem Mindestlohngesetz geltend machen oder nicht, besteht für jeden Tag der Arbeitsleistung ein Anspruch auf den Stundenlohn von 12,41 EUR.[1] Das im Sozialversicherungsrecht in § 22 Abs. 1 SGB IV verankerte Entstehungsprinzip besagt, dass die Beitragsansprüche bereits dann entstehen, wenn der Anspruch auf das Arbeitsentgelt entstanden ist.[2] Auf die Höhe des gezahlten Stundenlohns kommt es bei der Beitragsberechnung zu den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung demzufolge nicht an. Das Entstehungsprinzip wirkt aber nicht nur bei der Beitragserhebung, sondern auch bei der versicherungsrechtlichen Beurteilung einer Beschäftigung.[3]

 
Wichtig

Entgelt ist für die beitrags- und versicherungsrechtliche Beurteilung maßgebend

Gehen Arbeitgeber bei Prüfung der Geringfügigkeitsgrenze von einem Entgelt unterhalb des Mindestlohns aus, wirkt sich dies auf die versicherungsrechtliche Beurteilung aus: Wenn sich im Nachhinein ergibt, dass bei Zugrundelegung eines Stundenlohns von 12,41 EUR keine geringfügig entlohnte Beschäftigung vorgelegen hat, tritt in dieser Beschäftigung rückwirkend Sozialversicherungspflicht ein. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber vorsätzlich, fahrlässig oder in gutem Glauben gehandelt hat. Sachverhalte dieser Art sind bereits seit Jahren Prüfgegenstand bei den turnusmäßigen Betriebsprüfungen in Branchen, bei denen Branchenmindestlöhne vereinbart wurden.

[1] Vom 1.10.2022 bis 31.12.2023: 12 EUR.

2.2 Prüfung rechtswidriger Mindestlohnunterschreitungen

Rechtswidrige Mindestlohnunterschreitungen werden von den Rentenversicherungsträgern bei der turnusmäßigen Prüfung und mit Rückwirkung beanstandet.[1] Sie führen zu Beitragsnachforderungen und eventuell auch zur Erhebung von Säumniszuschlägen.[2] Mit Einführung des flächendeckenden Mindestlohns wurden diese Prüfungen ausgeweitet. Deshalb ist es nahezu ausgeschlossen, dass die Unterschreitung des Mindestlohns unentdeckt bleibt.

2.3 Steuernachforderung durch Wegfall der Pauschsteueroption

Die rückwirkende Beseitigung der Geringfügigkeit führt nicht nur zu Beitragsnachforderungen in Höhe der Differenz zwischen den an sich zu zahlenden Gesamtsozialversicherungsbeiträgen und den bereits entrichteten Pauschalabgaben durch die betroffenen Krankenkassen. Sie beseitigt auch rückwirkend die Möglichkeit, die Lohnsteuer zu pauschalieren.[1] Die ausgesprochen günstige Möglichkeit, das Arbeitsentgelt mit der Pauschsteuer von 2 % zu versteuern, wird von gut 90 % aller Arbeitgeber wahrgenommen. Fällt der Status einer geringfügig entlohnten Beschäftigung rückwirkend weg, entfällt auch die Möglichkeit Lohnsteuer zu pauschalieren. Das hat zur Folge, dass eventuell rückwirkend Einkommensteuer an das Betriebsstättenfinanzamt nachzuzahlen ist. Es gilt jedoch im Steuerrecht das Zuflussprinzip[2], sodass nur das tatsächlich gezahlte Entgelt zu versteuern ist. Die Zulässigkeit der pauschalen Besteuerung hingegen setzt voraus, dass sozialversicherungsrechtlich eine geringfügig entlohnte Beschäftigung vorliegt.

 
Achtung

Steuernachforderungen

Mit der bindenden Feststellung einer Einzugsstelle oder eines Rentenversicherungsträgers, dass keine geringfügig entlohnte Beschäftigung vorgelegen hat, kann es zu Steuernachforderungen kommen.

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