Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeldanspruch. Anwartschaftszeit. Versicherungspflichtverhältnis. Pflegeeltern. Kindererziehung. nach Vollendung des dritten Lebensjahres. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Pflegeltern stehen nicht in einem Versicherungspflichtverhältnis iSv § 24 SGB 3 für die Zeit der Erziehung nach der Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes. Es ist verfassungsrechtlich nicht geboten, Pflegeeltern bei den Versicherungspflichtzeiten besser zu stellen als leibliche Eltern oder Adoptiveltern, deren zu berücksichtigende Erziehungszeit nach § 26 Abs 2a SGB 3 bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes begrenzt ist.

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Berechtigung der Klägerin zum Bezug von Arbeitslosengeld.

Die am ... 1970 geborene Klägerin nahm zum 1. März 2004 eine versicherungspflichtige Beschäftigung als Gebäudereinigerin bei der K. M. GmbH (künftig: Arbeitgeberin) auf.

Am 18. Februar 2005 überließ das zuständige Jugendamt B. der Klägerin den am ... 2003 geborenen N. G. zur Pflege. Für die Vollzeitpflege erhält die Klägerin ein Pflegegeld nach Maßgabe des § 39 des Sozialgesetzbuches Achtes Buch - Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII). Direkt im Anschluss an die Überlassung des Kindes, am 18. Februar 2005, trat die Klägerin die Erziehungszeit an. Am ... 2006 vollendete N. G. das dritte Lebensjahr. Die Klägerin kündigte mit Schreiben vom 29. Januar 2008 ihren Arbeitsvertrag bei der Arbeitgeberin zum 28. Februar 2009. Sie begründete ihre Kündigung damit, dass sie aufgrund der Betreuung des pflegebedürftigen N. G. ihrer Arbeitgeberin nicht mehr entsprechend der arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitszeit ab 18.00 Uhr zur Verfügung stehen könne. Eine Betreuung des Kindes durch ihren Ehemann in den Abendstunden scheide aus, da dieser sich unter der Woche auf Montage befinde.

Am 30. Januar 2008 meldete sich die Klägerin zum 1. März 2008 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld.

Mit Bescheid vom 18. Februar 2008 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab und führte zur Begründung aus, die Klägerin habe, die für die Gewährung von Arbeitslosengeld zwingend nötige Anwartschaftszeit nicht erfüllt.

Mit Schreiben vom 18. März 2008 legte die Klägerin hiergegen Widerspruch ein. In der Widerspruchsbegründung trug sie vor, die Voraussetzungen für die Bewilligung von Arbeitslosengeld lägen sehr wohl vor. Sie habe auch die Anwartschaftszeit erfüllt, da sie vor und während der Dauer der Elternzeit bis zum 1. März 2008 in einem Arbeitsverhältnis gestanden habe. Dies habe zur Folge, dass ein Versicherungspflichtverhältnis vorgelegen habe. Das Pflegekind sei sehr kurzfristig an die Familie der Klägerin übergeben worden, da es in Anbetracht der häuslichen und familiären Situation nicht mehr möglich gewesen sei, N. G. in dem elterlichen Haushalt zu belassen. Das Kind sei vernachlässigt und auch körperlich misshandelt worden. Aufgrund der Vernachlässigung und Misshandlung habe das Kind zum Zeitpunkt der Inpflegenahme eine Nierenbeckenentzündung gehabt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juni 2008 wies die Beklagte den Widerspruch wegen der Nichterfüllung der Anwartschaftszeit als unbegründet zurück: Die Erziehungszeit des Pflegekindes ab dem 18. Februar 2005 könne nur für zehn Tage als versicherungspflichtige Zeit berücksichtigt werden, da nach § 26 Abs. 2a Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung (SGB III) Personen in der Zeit, in der sie ein Kind, welches das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, betreuen, versicherungspflichtig seien. Die hier maßgebliche Rahmenfrist beginne am 1. März 2006, das dritte Lebensjahr habe das Pflegekind am ... 2006 vollendet. In der Zeit vom 1. März 2006 bis zum 29. Februar 2008 habe die Klägerin kein Arbeitsentgelt und keine Lohnersatzleistungen bezogen, so dass eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausscheide.

Am 10. Juli 2008 hat die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigten Klage zum Sozialgericht Halle (Saale) (SG) erhoben und ihr Begehren auf Zahlung von Arbeitslosengeld mit der bisherigen Begründung weiterverfolgt.

Das SG hat mit Urteil vom 23. Juni 2009 die Klage abgewiesen und dies wie folgt begründet: Die Klägerin habe die Anwartschaftszeit nicht erfüllt. Zwar habe das Arbeitsverhältnis nach dem 18. Februar 2005 bis einschließlich 29. Februar 2008 fortbestanden - jedoch ohne den Anspruch auf Zahlung von Arbeitsentgelt. Die Fortdauer des die Anwartschaftszeit begründenden Beschäftigungsverhältnisses ohne den Anspruch auf Arbeitsentgelt dauere nach § 7 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) höchstens einen Monat. Von diesem Grundsatz werde nach § 7 Abs. 3 Satz 2 SGB IV unter anderem bei der Inanspruchnahme der Elternzeit abgewichen, da dafür nach § 24 Abs. 2 SGB III nur der Eintritt oder das Bestehen eines...

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