rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattung. Beitrag. Verjährung. Ermessen. Unbillige Härte. Betriebsprüfung. Stichprobe

 

Leitsatz (redaktionell)

Ob die Bundesagentur für Arbeit gegenüber einem Anspruch auf Beitragserstattung die Verjährungseinrede erhebt, steht in ihrem pflichtgemäßen Ermessen. Die Einrede der Verjährung stellt regelmäßig eine unbillige Härte dar, wenn die Beitragspflicht bei Betriebsprüfungen durch die Einzugstellen und den Rentenversicherungsträger zunächst fälschlich nicht beanstandet wurde und im Betrieb lediglich zwei Mitarbeiter tätig sind.

 

Normenkette

SGB IV § 26 Abs. 2, 3 S. 1, § 27 Abs. 2 S. 1; SGB III § 351 Abs. 2 Nr. 1; SGG § 151 Abs. 1; BÜVO § 6 Abs. 1

 

Verfahrensgang

SG Speyer (Urteil vom 09.11.2004; Aktenzeichen S 1 AL 662/03)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 9.11.2004 – S 1 AL 662/03 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Bescheid der Beklagten vom 28.5.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.8.2003 abgeändert wird.

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die Arbeitnehmeranteile der für die Zeit vom 1.4.1989 bis zum 31.12.1997 zur Bundesanstalt für Arbeit gezahlten Beiträge zu erstatten.

2. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung der an die Bundesanstalt für Arbeit (BA) für die Zeit vom 1.4.1989 bis zum 31.12.1997 zu Unrecht entrichteten Beiträge streitig.

Der bei der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) krankenversicherte Kläger ist seit 1.4.1989 bei der B mbH (B) als Geschäftsführer tätig. Darüber hinaus beschäftigte die B in der hier streitigen Zeit eine bei der Barmer Ersatzkasse (BEK) krankenversicherte Angestellte. Am Stammkapital der B war der Kläger in unterschiedlicher Höhe, und zwar seit 18.7.1980 zu 2 v.H., seit 4.1.1991 zu 4 v.H., seit 6.3.1991 zu 8 v.H. und seit 19.4.1991 zu 12 v.H. beteiligt. Seit dem 25.4.1996 hält er ein Viertel des Stammkapitals.

Die B entrichtete für den Kläger ab 1.4.1989 Beiträge zur BA. Nach einer von der BEK am 28.3.1994 für die Zeit vom 1.4.1990 bis zum 31.12.1993 durchgeführten Beitragsüberwachung wurde der B mitgeteilt, dass die geprüften Unterlagen hinsichtlich der „Beurteilung der Versicherungspflicht” und der „Ermittlung der beitragspflichtigen Entgeltzahlungen” nicht zu beanstanden seien. Am 6.11.1995 fand eine Betriebsprüfung durch die KKH für die Zeit vom 1.1.1992 bis zum 31.12.1994 statt, die ebenfalls nicht zu Beanstandungen führte. Auch die Landesversicherungsanstalt Baden (LVA) gelangte aufgrund ihrer am 30.8.1999 für die Zeit vom 1.1.1995 bis zum 31.12.1998 durchgeführten Betriebsprüfung zu dem Ergebnis, dass die Beiträge ordnungsgemäß abgeführt worden seien.

Mit Bescheid vom 24.7.2002 stellte die KKH fest, dass der Kläger ab 1.4.1989 aufgrund seiner nicht weisungsgebundenen Tätigkeit als „alleinvertretungsberechtigter Gesellschafter/Geschäftsführer” der B nicht abhängig beschäftigt gewesen sei. Die Beklagte erstattete ihm daraufhin mit Bescheid vom 28.5.2003 den Arbeitnehmeranteil der zur Arbeitslosenversicherung für die Zeit vom 1.1.1998 bis zum 31.8.2002 geleisteten Beiträge. Eine Rückzahlung der vom 1.4.1989 bis zum 31.12.1997 entrichteten Beiträge lehnte sie ab, weil der Erstattungsanspruch insoweit verjährt sei. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 26.8.2003 zurück.

Das Sozialgericht Speyer (SG) hat mit Urteil vom 9.11.2004 den angefochtenen Bescheid „aufgehoben” und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger die für die Zeit vom 1.4.1989 bis zum 31.12.1997 gezahlten Arbeitnehmeranteile zu erstatten. Die Beklagte habe das ihr bei der Erhebung der Verjährungseinrede eingeräumte Ermessen nicht hinreichend beachtet. Sie könne sich nicht auf ihre Durchführungsanweisungen zu § 27 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) berufen, wonach eine besondere, der Verjährungseinrede entgegenstehende Härte nur dann vorliege, wenn die Beitragszahlung durch ein fehlerhaftes Verwaltungshandeln der Beklagten, der Einzugsstelle oder des Rentenversicherungsträgers bedingt sei. Das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 29.7.2003 (B 12 AL 1/02 R, SozR 4-2400 § 27 Nr. 1) rechtfertige kein anderes Ergebnis. Danach sei die Verjährungseinrede zwar auch dann nicht ausgeschlossen, wenn eine in einem Kleinbetrieb mit etwa 10 bis 15 Arbeitnehmern durchgeführte Arbeitgeberprüfung nicht zu Beanstandungen geführt hätte. Da bei der B aber lediglich der Kläger und eine Angestellte tätig gewesen seien, hätte den Prüfbehörden die mit der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung des Klägers als Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH verbundene Problematik auffallen müssen.

Gegen das ihr am 13.12.2004 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 11.1.2005 Berufung eingelegt.

Sie trägt vor, das zu beachtende Ermessen sei ordnungsgemäß ausgeübt worden. Ein ihr zurechenbares fehlerhaftes Verwaltungshandeln liege ni...

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