Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld. Anspruchsdauer. Beschäftigungslosigkeit. Arbeitslosmeldung. Beschäftigungsverhältnis. Freistellung. Protokoll. Gegenbeweis

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Beschäftigungslosigkeit i.S.v. § 119 Abs. 1 Nr. 1 SGB III liegt trotz eines fortbestehenden Arbeitsverhältnisses vor, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer unwiderruflich von der Arbeit freistellt, also endgültig auf seine Verfügungsbefugnis verzichtet. Eine bloß widerrufliche Freistellung genügt hingegen nicht.

2. Der Gegenbeweis der Unrichtigkeit der im Protokoll enthaltenen Angaben ist nur geführt, wenn die von dem Protokoll ausgehende Beweiswirkung vollständig entkräftet und jede Möglichkeit ausgeschlossen ist, dass die dortigen Angaben richtig sind.

 

Normenkette

SGB III § 117 Abs. 1 Nr. 1, § 118 Abs. 1, § 119 Abs. 1 Nr. 1, § 122 Abs. 1, § 127 Abs. 2, § 434l Abs. 1 S. 1; ZPO § 162 Abs. 1, § 164 Abs. 1, § 415

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 16. Januar 2009 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Dauer eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld (ALG).

Der 1950 geborene Kläger war seit dem 1.7.1994 bei der Firma E GmbH/G (im Folgenden: E) in L beschäftigt. Mit Schreiben vom 19.12.2005 kündigte die E dem Kläger außerordentlich zum 30.4.2006. Am 29.12.2005 teilte sie ihm schriftlich mit, dass er mit sofortiger Wirkung unter Fortzahlung der Bezüge und unter Verrechnung etwaig noch bestehender Urlaubsansprüche unwiderruflich von der Arbeitsleistung freigestellt werde. Ebenfalls am 29.12.2005 erhob der Kläger Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht Köln und beantragte festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis über den 30.4.2006 hinaus ungekündigt fortbestehe. Bei einem Gütetermin am 17.1.2006, an dem Richter am Arbeitsgericht Dr. X als Vorsitzender, für die dortige Beklagte der frühere Vorgesetzte des Klägers X1 und für den Kläger Rechtsanwalt O teilnahmen, schlossen die Beteiligten einen prozessbeendenden Vergleich. Darin ist (ua) geregelt, dass das Arbeitsverhältnis durch außerordentliche krankheitsbedingte Kündigung zum 30.4.2006 sein Ende finden werde, die Beklagte bis dahin das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abwickele, insbesondere die vereinbarte Vergütung bis einschließlich 30.4.2006 zahle, und der Kläger unter Fortzahlung seiner Vergütung widerruflich von der Arbeitsleistung freigestellt bleibe, womit restliche Urlaubs- sowie sonstige Freizeitausgleichsansprüche in natura erfüllt seien.

Nachdem er sich bereits am 27.12.2005 bei der Beklagten arbeitsuchend gemeldet hatte, meldete sich der Kläger am 31.1.2006 "gegebenenfalls mit Wirkung zum 1.5.2006" bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Die Beklagte gewährte Arbeitslosengeld ab dem 1.5.2006 für 540 Tage, also bis einschließlich 30.10.2007 (Bescheid vom 17.3.2006).

Mit seinem Widerspruch bemängelte der Kläger, die Anspruchsdauer sei nicht ordnungsgemäß ermittelt, weil aufgrund der Freistellung die alte Anspruchsdauer berücksichtigt werden müsse, und machte außerdem eine höhere Leistung geltend. Die Beklagte half zur Höhe der Leistung teilweise ab (Änderungsbescheid vom 4.5.2006) und wies den Widerspruch im Übrigen zurück: Höhe der Leistung (im Übrigen) und Dauer des Anspruchs seien zutreffend bemessen worden. Bei widerruflicher Freistellung bestehe das Beschäftigungsverhältnis fort. Da der Kläger somit bis zum 30.4.2006 in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden habe, sei er nicht beschäftigungs- und damit nicht arbeitslos gewesen; der Anspruch auf Arbeitslosengeld sei daher nicht vor den 1.5.2006 entstanden (Widerspruchsbescheid vom 10.5.2006).

Dagegen hat der Kläger noch im Mai 2006 Klage erhoben. Neben einem Anspruch auf höhere Leistung habe er Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer von 32 Monaten, weil er tatsächlich mit seinem Arbeitgeber eine unwiderrufliche Freistellung vereinbart habe. Damit sei der Anspruch noch am 31.1.2006 entstanden. Nach dem 19. Februar 2005 sei er nicht mehr arbeitsunfähig krank gewesen.

Während des Klageverfahrens hat die Beklagte dem Begehren auf höhere Leistung vollständig Rechnung getragen (Änderungsbescheid vom 15.3.2007). Der Kläger hat das Verfahren insoweit für erledigt erklärt und nur noch beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 16.3.2006 in der Fassung des Bescheides vom 4.5.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.5.2006 in Form der Änderungsbescheide vom 10.10.2006 und 15.3.2007 zu verurteilen, die Dauer des Arbeitslosengeldes auf 32 Monate festzusetzen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat darauf abgestellt, dass im arbeitsgerichtlichen Vergleich vom 17.1.2006 ausdrücklich eine widerrufliche Freistellung vereinbart worden ist.

Die E hat dem Sozialgericht (SG) mitgeteilt, die Freistellung sei entsprechend dem geschlossenen Vergleich als widerruflich behandelt worden, das sozialversicherungspflichtige Besch...

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