Entscheidungsstichwort (Thema)

Dauer des Arbeitslosengeldes bei Gleichwohlgewährung. Dauer des Arbeitslosengeldes. Gleichwohlgewährung. Minderung des Anspruchs. Zahlungen des Arbeitgebers. übergegangene Ansprüche. Billigkeitsgründe. Anfechtungsklage. allgemeine Leistungsklage. Prinzip der Schadensversicherung. Beitreibungsmaßnahmen

 

Orientierungssatz

1. Die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld mindert sich um die Anzahl von Tagen, für die der Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit erfüllt worden ist. Das gilt auch für Arbeitslosengeldzahlungen im Wege der Gleichwohlgewährung.

2. Die Minderung des Anspruchs entfällt aus Billigkeitsgründen lediglich dann, wenn die Agentur für Arbeit tatsächlich Ersatz für ihre Aufwendungen durch Zahlungen des Arbeitgebers erhält.

3. Die Minderung der Anspruchsdauer entfällt nicht, wenn die Agentur den auf sie übergegangenen Anspruch des Arbeitslosen nicht gegen dessen ehemaligen Arbeitgeber beitreibt. Das SGB 3 enthält keine Regelung, wonach die Arbeitslosenversicherung verpflichtet wäre, die auf sie übergegangenen Ansprüche umgehend zugunsten des Arbeitslosen zu realisieren.

 

Normenkette

SGB III § 143 Abs. 3, § 128 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; SGB X §§ 115-116, 117 Abs. 4; AFG § 117 Abs 4 S. 2, § 127; VVG § 67; SGG § 54 Abs. 1, 5; BGB § 826

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 16.08.2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt Arbeitslosengeld über den 27.04.2008 hinaus für weitere 93 Tage.

Der 1943 geborene Kläger war vom 1981 bis zum 29.08.2005 bei der Tuchfabrik C beschäftigt. Über das Vermögen des Arbeitgebers wurde ein Insolvenzverfahren eröffnet. Der eingesetzte Insolvenzverwalter kündigte den Kläger unter Freistellung von der Arbeit am 29.08.2005 zum 30.11.2005.

Der Kläger erhielt für die Zeit vom 01.06.2005 bis 28.08.2005 Insolvenzgeld. Am 29.08.2005 meldet sich der Kläger arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld, das die Beklagte durch bindenden Bescheid für die Zeit ab 29.08.2005 für eine Anspruchsdauer von 960 Tagen bewilligt und auch zahlte (bis einschließlich 27.04.2008). Unter Hinweis auf § 143 Abs. 3 Soziagesetzbuch Drittes Buch (SGB III) und § 115 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zeigte die Beklagte gegenüber dem Insolvenzverwalter an, dass Arbeitsentgeltansprüche des Klägers für die Zeit des Arbeitslosengeldbezug auf sie übergangen sind.

Mit Schreiben vom 08.02.2007 beanspruchte der Kläger von der Beklagten die Verlängerung seines Leistungsanspruches um 93 Leistungstage. Er machte geltend, für die Zeit bis 30.11.2005 (Ablauf der Kündigungsfrist) habe die Beklagte aufgrund des Anspruchsübergangs eine Masseforderung gehabt, die auch realisierbar gewesen sei. Die Beklagte habe aber diese Ansprüche - zum Schaden des Klägers - aufgrund einer Absprache mit dem Insolvenzverwalter nicht geltend gemacht, um die Fortführung des zahlungsunfähigen Betriebes mit mehreren 100 Arbeitnehmern zu erleichtern. Dieser Verzicht zu Lasten des Klägers sei rechtswidrig, weshalb der Leistungszeitraum um die Tage der "Gleichwohlgewährung" zu verlängern sei. Die Beklagte müsse den Kläger so stellen, als ob sie den übergegangenen Anspruch realisiert habe.

Die Beklagte lehnte dies mit Bescheid vom 07.03.2007 und Widerspruchsbescheid vom 02.04.2007 ab. Derzeit sei die Masseschuldforderung lediglich gestundet bis 31.12.2007. Sei die Tuchfabrik C bis dahin erloschen, lebe die Masseforderung wieder auf; anderenfalls werde sie als Insolvenzforderung zurückgestuft und mit 5 % Quote berücksichtigt.

Dagegen hat der Kläger am 12.04.2007 vor dem Soziagericht Aachen (SG) Klage erhoben. Er hat geltend gemacht, im Rahmen der Verfolgung der übergegangenen Ansprüche gemäß § 115 SGB X gegenüber dem Insolvenzverwalter wäre die Realisierung der übergegangenen Beträge für die Beklagte möglich und zumutbar gewesen. Die gesamtwirtschaftlich sinnvolle Schonung der Insolvenzschuldnerin dürfe nicht auf seine Kosten erfolgen. Das Unternehmen erfreue sich nach Fortführung bester wirtschaftlicher Gesundheit, insoweit sei eine derartige Rücksichtnahme auf das Unternehmen auch nicht erforderlich gewesen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, unter Aufhebung ihres Bescheides vom 28.02. 2007 (gemeint war 07.03.2007) in Form des Widerspruchsbescheides vom 02.04.2007 dem Kläger Arbeitslosengeld für weitere 93 Tage über den 27.04.2008 hinaus zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, eine Anspruchsdauerverlängerung sei an die Realisierung der übergegangenen Forderung gebunden, auch wenn die Beklagte den Einzug der Forderung nicht betreibe.

Das SG hat durch Urteil vom 16.08.2007 die Klage abgewiesen und zur Begründung folgendes ausgeführt: Ersichtlich gehe es dem Kläger darum, festzustellen, dass die Dauer des Anspruches auf Arbeitslosengeld nicht durch die 93 Tage des Leistungsbezuges gemindert wo...

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