Entscheidungsstichwort (Thema)

Asylbewerberleistung. Übernahme der Kosten für eine Krankenhausbehandlung. Leistungen bei Krankheit. Abgrenzung zwischen akuten und chronischen Erkrankungen bzw Schmerzzuständen. sonstige Leistungen zur Sicherung der Gesundheit. Nichtanwendbarkeit des Kenntnisgrundsatzes

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Abgrenzung von § 4 und § 6 AsylbLG bei Leistungen für einen stationären Krankenhausaufenthalt (notwendige Operation im beschwerdefreien Intervall einer wiederkehrenden Erkrankung).

2. Der sozialhilferechtliche Kenntnisgrundsatz des § 18 SGB 12 ist im AsylbLG nicht entsprechend anzuwenden.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin für beide Rechtszüge.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Übernahme von Kosten, die für eine stationäre Krankenhausbehandlung der Klägerin bei der Beigeladenen im Dezember 2008 entstanden sind.

Die 2005 geborene Klägerin ist eines von mehreren Kindern der 1990 in N (Kosovo) geborenen S. E und des 1990 geborenen, in V wohnhaften H.

Die Mutter der Klägerin lebte seit Ende der neunziger Jahre gemeinsam mit ihrer Herkunftsfamilie in der Bundesrepublik und bezog mit dieser - einschließlich der Klägerin - Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) von der Beklagten. Der Vater der Klägerin erhielt (gemeinsam mit seiner Herkunftsfamilie) von der Stadt V durchgängig bis Ende 2009 ebenfalls Leistungen nach dem AsylbLG.

Einen Asylantrag stellte die Klägerin nicht. Aufenthaltsrechtlich wurden ihr von der Ausländerbehörde der Beklagten - von kurzen Unterbrechungen in den Jahren 2006 und 2007 abgesehen - zunächst durchgängig Duldungen nach § 60a Abs. 2 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) erteilt. Im Juli 2009 erhielt sie eine befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG.

Ab März 2007 bezog die Klägerin mit ihrer Mutter sowie ihrem am 00.00.2006 geborenen Bruder eine eigene Wohnung im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Beklagten, wo sie dauerhaft zusammen lebten. Kontakte zu ihrem Vater in V hatte die Klägerin nur sporadisch. Eine gemeinsame elterliche Sorge (nach § 1626a Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in der bis zum 18.05.2013 geltenden Fassung) besteht nicht; die Klägerin hatte vielmehr gemäß § 1626a Abs. 2 BGB a.F. das alleinige elterliche Sorgerecht.

Die Beklagte gewährte der Klägerin, ihrer Mutter (und später auch den nachgeborenen weiteren Geschwistern) bis zum Ende des Jahres 2009 weiter Leistungen nach dem AsylbLG. Die Klägerin (sowie später die Geschwister) erhielten ungekürzte Grundleistungen nach Maßgabe des § 3 AsylbLG.

Seit August 2008 bemühte sich die Mutter der Klägerin - anwaltlich vertreten - für sich und ihre Kinder wiederholt um die Zuerkennung von Analogleistungen nach § 2 AsylbLG. Dies lehnte die Beklagte, zuletzt mit Bescheid vom 26.01.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.02.2009, ab; das anschließend vor dem Sozialgericht (SG) Münster (S 16 AY 1/09) durchgeführte Klageverfahren der Klägerin, ihres Bruders und der Mutter endete durch gerichtlichen Vergleich am 04.10.2011. Darin verpflichtete sich die Beklagte "zur Abdeckung der Klageforderung und des am 25.03.2010 gestellten Antrages nach § 44 SGB X zur Überprüfung der Bescheide für vier Jahre unstreitig ohne Anerkennung einer Rechtspflicht einen Betrag von 1.000,00 EUR" zu zahlen.

Seit ihrer Geburt befand sich die Klägerin mehrfach in stationärer Krankenhausbehandlung, wofür die Beklagte im Rahmen von § 4 AsylbLG die Kosten trug. Neben der Entbindung und Nachsorge im Rahmen einer Notfallbehandlung im evangelischen Krankenhaus I (vom 08.08.2005 bis zum 20.08.2005) fanden vier weitere stationäre Notfallbehandlungen vom 12.05.2006 bis zum 21.05.2006, vom 31.05.2006 bis zum 02.06.2006, vom 20.08.2007 bis zum 04.09.2007 und vom 28.03.2008 bis zum 31.03.2008 im D-hospital N statt. Die Behandlungen im D-hospital waren erforderlich wegen Lungenentzündung, Volumenmangel/Austrocknung, Dehydration/Nahrungsverweigerung und Austrocknung/Magen-Darm-Infekt.

Zur Inanspruchnahme von Krankenbehandlungen wurden für die Klägerin von der Beklagten bis zum vierten Quartal 2008 regelmäßig - insgesamt 15 mal - quartalsweise sog. "Behandlungsausweise" ausgestellt. Diese Behandlungsausweise enthielten folgenden schriftlichen Zusatz: "Wichtige Hinweise für den Arzt/die Ärztin: Behandlungskosten einschließlich der Kosten für die Diagnose werden nur bei akuten Erkrankungen und bei Schmerzzuständen übernommen. Planbare/geplante stationäre Krankenhausaufenthalte/ambulante Operationen sind vorab zu genehmigen. " Hinsichtlich des weiteren Inhalts dieser Behandlungsausweise wird auf das von der Beklagten vorgelegte Muster (Blatt 142 der Gerichtsakte) Bezug genommen.

Nachdem die Klägerin zuvor schon häufiger wegen wiederkehrender Mandel- bzw. Mittelohrentzündungen bei ihrem Kinderarzt Dr. K in Behandlung gewesen war, begab sie sich am 28.10.2008 einmalig in die ambulante Behandlung bei der Fachärztin für ...

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