Rechtskraft: nein

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Mutterschaftsgeld – Schutzfrist – Beginn der Schutzfrist – Versicherungsfall – Schutzbedürftigkeit der (werdenden) Mutter –. Gewährung von Mutterschaftsgeld

 

Leitsatz (amtlich)

Nach verfassungskonformer Auslegung des § 200 Abs. 1 RVO idF des GRG genügt es für den Anspruch einer Versicherten auf Mutterschaftsgeld für die Zeit der 8-wöchigen Schutzfrist nach der Entbindung (§ 6 Abs. 1 MuSchG), dass die Anspruchsvoraussetzungen im Zeitpunkt des Beginns dieser Schutzfrist vorliegen.

 

Normenkette

GG Art. 6 Abs. 4; RVO § 200 Abs. 1-3; MuSchG § 3 Abs. 2, § 6 Abs. 1

 

Beteiligte

Deutsche Angestellten-Krankenkasse

 

Verfahrensgang

SG Stade (Entscheidung vom 31.03.1999; Aktenzeichen S 15 KR 101/97)

 

Tenor

Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stade vom 31. März 1999 und die Bescheide der Beklagten vom 19. Dezember 1996 und 20. März 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Oktober 1997 werden aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Mutterschaftsgeld ab 21. November 1996 für die gesetzliche Dauer zu gewähren.

Die Beklagte hat der Klägerin die Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Rechtsstreit betrifft die Gewährung von Mutterschaftsgeld.

Die Klägerin war vom 1. September 1995 bis 7. Oktober 1996 und vom 6. November 1996 an Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung. Ab 6. November 1996 erhielt sie Arbeitslosenhilfe vom Arbeitsamt Stade. Am 21. November 1996 wurde sie von einem Sohn entbunden. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 2. November 1998 hob das Arbeitsamt Stade die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit ab 21. November 1996 auf. Die Klägerin habe ab 21. November 1996 der Arbeitsvermittlung nicht mehr zur Verfügung gestanden, weil sie aufgrund des Mutterschutzgesetzes (MuSchG) acht Wochen nach der Geburt ihres Kindes keine Beschäftigung habe ausüben dürfen.

Die Klägerin beantragte Ende 1996 bei der Beklagten die Gewährung von Mutterschaftsgeld für die Zeit nach der Geburt ihres Sohnes ab 21. November 1996 für die Dauer von acht Wochen. Die Beklagte gewährte ihr gemäß § 200 b Reichsversicherungsordnung (RVO) Entbindungsgeld in Höhe von 150,– DM. Einen Anspruch auf Mutterschaftsgeld lehnte sie mit Bescheiden vom 19. Dezember 1996 und 20. März 1997 ab: Denn zu Beginn der Schutzfrist, am 10. Oktober 1996, habe keine eigene Mitgliedschaft der Klägerin mit Krankengeldanspruch bestanden. Mit ihrem Widerspruch wies die Klägerin darauf hin, dass die Voraussetzungen des § 200 Abs. 1 RVO zwar nicht bei Beginn der 6-wöchigen Schutzfrist nach § 3 Abs. 3 MuSchG vor der Geburt ihres Sohnes vorgelegen hätten. Sie habe jedoch die Voraussetzungen des § 200 Abs. 1 RVO bei Beginn der 8-wöchigen Schutzfrist (§ 6 Abs. 1 MuSchG) nach ihrer Entbindung erfüllt. Da sie Mutterschaftsgeld nur für die Zeit nach der Geburt geltend mache, komme es auf diesen Zeitpunkt und nicht auf den Zeitpunkt des Beginns der Schutzfrist vor der Geburt an. Der Widerspruch war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 1997).

Die Klägerin hat am 3. November 1997 Klage erhoben, die das Sozialgericht Stade (SG) mit Gerichtsbescheid vom 31. März 1999 abgewiesen hat. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt: Die Voraussetzungen des § 200 Abs. 1 RVO lägen nicht vor. Denn der Anspruch auf Mutterschaftsgeld hänge davon ab, dass die Versicherte zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles Mitglied der Krankenkasse gewesen sei. Versicherungsfall für das Mutterschaftsgeld sei nicht die Geburt, sondern ausnahmslos der Beginn der Schutzfrist nach § 3 Abs. 2 MuSchG. Im Zeitpunkt des Beginns der 6-wöchigen Schutzfrist des § 3 Abs. 2 MuSchG am 10. Oktober 1996 habe die Klägerin keine Leistungen des Arbeitsamtes bezogen und sei demzufolge auch nicht Mitglied der Beklagten gewesen. Es leuchte ohne weiteres ein, dass eine Versicherte den Versicherungsfall für das Mutterschaftsgeld nicht nach dem Günstigkeitsprinzip entweder auf den Beginn der 6-Wochenfrist des § 3 Abs. 2 MuSchG oder auf den Beginn der 8-Wochenfrist des § 6 Abs. 1 MuSchG legen könne.

Hiergegen hat die Klägerin am 29. April 1999 Berufung eingelegt. Maßgeblich sei, dass sie wegen der 8-wöchigen Mutterschutzfrist des § 6 Abs. 1 MuSchG kein Arbeitsentgelt bzw. keine Lohnersatzleistungen erhalten habe. Das SG habe übersehen, dass § 200 RVO im Jahre 1988 geändert worden sei. Während § 200 RVO früher ausdrücklich nur auf den „Beginn der Schutzfrist des § 3 Abs. 2 MuSchG” abgestellt habe, gebe die nun geltende Fassung des § 200 Abs. 1 RVO ausdrücklich auch den Versicherten einen Anspruch auf Mutterschaftsgeld, denen wegen der Schutzfrist des § 6 Abs. 1 MuSchG kein Arbeitsentgelt gezahlt werde. Diese Regelung sei auch sinnvoll, wie sich an ihrem Fall zeige. Bei ihr – bei der Klägerin – sei der Eintritt der Schutzfrist nach § 6 Abs. 1 MuSchG unzweifelhaft ursächlich für den Ausfall von Lohnersatzleistungen gewesen, wie die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe durch das Arbeitsamt zeige.

Die Klägerin beantra...

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