Verfahrensgang

SG Stade (Urteil vom 14.03.1990; Aktenzeichen S 3 Kr 58/89)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 14. März 1990 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Bescheides, durch den die beklagte Ersatzkasse das Ende der Versicherungspflicht der Klägerin in der Krankenversicherung der Studenten (KVdS) auf den 31. März 1989 festgestellt hat. Sie begehrt die Feststellung, sie sei für die gesamte Dauer ihres inzwischen am 31. Dezember 1991 abgeschlossenen Studiums als Studentin pflichtversichert gewesen.

Die im Jahre 1951 geborene Klägerin erwarb im Mai 1970 mit dem Abitur die Hochschulreife, ließ sich von Oktober 1970 bis August 1972 zur Elektrotechnischen Assistentin ausbilden und war anschließend, in diesem Beruf – unterbrochen von Zeiten der Weiterbildung, Arbeitslosigkeit und Krankheit – bis Dezember 1987 beschäftigt (Aufstellung der Klägerin über Ausbildungs- und Beschäftigungszeiten vom 3. Januar 1989).

Am 1. Januar 1988 nahm sie an der Freien Kunst-Studienstätte Ottersberg das Studium der Kunsttherapie-Kunstpädagogik auf und war dort bis zum 31. Dezember 1991 eingeschrieben.

Obwohl die Klägerin bei Beginn des Studiums das 30. Lebensjahr – das 36. Lebensjahr – bereits vollendet hatte, erhielt sie für die Dauer ihres Studiums Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz – BAföG –(Abhilfebescheid der Universität Hannover – Amt für Ausbildungsförderung – vom 21. Mai 1987; Bescheid vom 30. Dezember 1988). In dem Abhilfebescheid heißt es, ein Förderungsanspruch bestehe nach § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 BAföG, wenn die Art. der Ausbildung die Überschreitung der Altersgrenze (Vollendung des 30. Lebensjahres) rechtfertige. Diese Voraussetzung sei erfüllt, wenn in dem betreffenden Fach die Zahl der Auszubildenden, die bei Ausbildungsbeginn die Altersgrenze überschritten hätten, einigermaßen konstant 10 vH der Zahl aller Studienanfänger erreiche (BVerwG, Urteil vom 16.10.1980, FamRZ 1981, 210 – = BVerwGE 61, 92). Diese Voraussetzungen seien im Studiengang Kunsttherapie an der Freien Kunst-Studienstätte Ottersberg gegeben.

Aufgrund ihres Studiums war die Klägerin nach § 165 Abs. 1 Nr. 5 ReichsversicherungsordnungRVO – idF des Gesetzes über die Krankenversicherung der Studenten vom 24.6.1975 (BGBl I S 1536), der bis zum 31. Dezember 1988 galt, in der KVdS pflichtversichert. Mit Bescheid vom 11. April 1989/Widerspruchsbescheid vom 21. August 1989 stellte die Beklagte fest, diese Versicherungspflicht habe gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 des am 1. Januar 1989 in Kraft getretenen Fünften Sozialgesetzbuchs – SGB V – iVm Art. 56 Abs. 6 Gesundheitsreformgesetz (GRG) vom 20.12.1988 (BGBl I S 2477) wegen Überschreitens der Höchstaltersgrenze (Vollendung des 30. Lebensjahres) mit Ablauf des 31. März 1989 geendet.

Das Sozialgericht (SG) Stade hat die Bescheide der Beklagten aufgehoben und diese verurteilt, die Klägerin über den 31. März 1989 hinaus in die – für die KVdS maßgebende – Beitragsklasse 487 einzustufen (Urteil vom 14. März 1990). In den Entscheidungsgründen hat es im wesentlichen ausgeführt: Die Versicherungspflicht der Klägerin dauere über den 31. März 1989 an, weil die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 9 Halbs 2 SGB V gegeben seien, wonach Studenten auch nach Vollendung des 30. Lebensjahres der KVdS angehörten, wenn die Art. der Ausbildung oder persönliche Gründe die Überschreitung der Altersgrenze rechtfertigten. Dabei dürfe die Frage offenbleiben, ob bei der Auslegung des Rechtfertigungsgrundes „Art. der Ausbildung” die Rechtsprechung des BVerwG aaO, auf die sich die Klägerin berufe, und die ihm folgende Verwaltungspraxis zu § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 BAföG herangezogen werden könne (Zipperer BKK 1989, 80, 81). Denn bei der Klägerin seien persönliche Rechtfertigungsgründe anzuerkennen. Der Anwendungsbereich dieser Ausnahmeregelung sei nicht auf die in den Motiven genannten Fälle oder den im Gesetz ausdrücklich genannten Fall beschränkt, daß die Zugangsvoraussetzung für das Studium in einer Ausbildungsstätte des Zweiten Bildungsweges erworben werde (BT-Drucks 11/2237; Peters, Handbuch der Krankenversicherung, § 5 SGB V Anm. 204, S 76 f). Er sei auch auf den vorliegenden Fall zu erstrecken, in dem der Student nach Erlangung der Hochschulreife eine Berufsausbildung absolviert, anschließend bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres in seinem Ausbildungsberuf versicherungspflichtig gearbeitet und das Studium wegen Krankheit und Arbeitslosigkeit erst später aufgenommen habe (Wasem, BArbBl 1989, S 6). Mit dieser Auslegung werde entgegen der Ansicht der Beklagten dem Gesetzeszweck ausreichend Rechnung getragen, zumal der Gesetzgeber mit der Begrenzung der KVdS auf ein Höchstalter Mißbräuchen habe begegnen wollen, die insbesondere von sog Parkstudenten praktiziert worden seien.

Gegen dieses der Beklagten am 25. April 1990 zugestellte Urteil richtet si...

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