Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeldanspruch. Bemessungsentgelt. Erweiterung des Bemessungsrahmens. Transferkurzarbeitergeldbezug. Versicherungspflichtverhältnis

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Beschäftigung in einer Transfergesellschaft bei Bezug von Transfer-Kurzarbeitergeld (§ 216b SGB 3) stellt ein Versicherungspflichtverhältnis nach § 24 SGB 3 dar (entgegen LSG Erfurt vom 23.9.2009 - L 10 AL 143/06).

2. Sind im Regel-Bemessungsrahmen von einem Jahr nur Zeiten mit Bezug von Transfer-Kurzarbeitergeld enthalten, ist dieser gemäß § 130 Abs 3 S 1 Nr 1 SGB 3 auf zwei Jahre zu erweitern (entgegen LSG Schleswig vom 15.3.2011 - L 3 B 49/10 AL NZB).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 04.07.2012; Aktenzeichen B 11 AL 9/11 R)

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 12. Dezember 2007 wird aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 20. Juni 2006 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 09. August 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. August 2006 wird geändert.

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 01. bis 16. Juli 2006 höheres Arbeitslosengeld unter Berücksichtigung eines Brutto-Arbeitsentgeltes in Höhe von 44.700,28 € zu gewähren.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Instanzen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt höheres Arbeitslosengeld (Alg) ab 01. Juli 2006. Streitig ist die Höhe des Bemessungsentgelts nach einem einjährigen Bezug von Transfer-Kurzarbeitergeld in einer Beschäftigungsgesellschaft.

Der 19H. geborene Kläger war vom 04. Oktober 1977 bis zum 30. Juni 2005 bei der Firma I., J., als Sachbearbeiter beschäftigt. In der Zeit vom 01. Juli 2004 bis zum 30. Juni 2005 erzielte der Kläger nach der Arbeitsbescheinigung dieser Arbeitgeberin vom 15. August 2005 ein Jahresarbeitsentgelt einschließlich Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld in Höhe von 44.700,28 €. Das Arbeitsverhältnis wurde am 24. Juni 2005 einvernehmlich gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 89.793,42 € aufgelöst, um ab 01. Juli 2005 auf der Basis eines Interessenausgleichs und Sozialplans vom 08. Juni 2005 in eine Transfergesellschaft zu wechseln.

Am 28. Juni 2005 schloss der Kläger mit der Personalentwicklungsgesellschaft K. mbH L. einen befristeten Arbeitsvertrag vom 01. Juli 2005 bis zum 30. Juni 2006. Inhalt des Arbeitsverhältnisses waren die gleichen Arbeitsbedingungen, wie diese zwischen dem Kläger und der früheren Arbeitgeberin bestanden hatten mit der Maßgabe, dass ein Beschäftigungsanspruch entfiel, "Kurzarbeit Null" - d. h. die vollständige Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeitspflicht - angeordnet wurde, der Kläger Transfer-Kurzarbeitergeld sowie einen Aufzahlungsbetrag zum Kurzarbeitergeld in Höhe von 10 % des für das Kurzarbeitergeld maßgeblichen Bemessungsentgelts erhielt, während die betriebliche Altersversorgung nicht übernommen, beziehungsweise fortgeführt wurde (§ 2 des Dreiseitigen Vertrages vom 28.06.2005). Geschäftsgrundlage des Vertrages war, dass die Beklagte für die Dauer des Arbeitsverhältnisses Transfer-Kurzarbeitergeld zahlte, andernfalls sollte die Vereinbarung von Anfang an unwirksam sein (§ 3 Nr. 2 des Dreiseitigen Vertrages). In § 5 waren die Leistungen des Klägers bestehend aus Kurzarbeitergeld, einem Zuschuss von 10 % des regelmäßigen Bruttoentgeltes und den Feiertagsbezügen an gesetzlichen Feiertagen geregelt. Als Grundlage der verschiedenen Berechnungen wurde ein Gehaltsanspruch von 3.566,88 € monatlich vereinbart (§ 6 des Dreiseitigen Vertrages). Darüber hinaus sah der Vertrag eine Arbeitszeit von 35 Stunden in der Woche und einen Urlaubsanspruch von 20 Arbeitstagen je Kalenderjahr vor. Während der Dauer des befristeten Arbeitsverhältnisses war der Kläger verpflichtet, an der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz aktiv mitzuwirken, an angebotenen Qualifizierungsmaßnahmen und anderen Aktivitäten teilzunehmen, die dieses Ziel verfolgten. Die Arbeitsvertragsparteien vereinbarten ferner, dass in Anbetracht der Besonderheit des Arbeitsverhältnisses die aktive Mitwirkungspflicht zentraler Bestandteil des Arbeitsvertrages war. Zuwiderhandlungen stellten eine grobe Verletzung des Arbeitsverhältnisses dar und konnten ganz oder zum Teil zum Wegfall der Zahlungen gemäß § 2 des Dreiseitigen Vertrages führen (§ 14 Nr. 1 und 2 des Dreiseitigen Vertrages).

Am 17. Mai 2006 meldete sich der Kläger zum 01. Juli 2006 arbeitslos und legte eine Arbeitsbescheinigung der L. vom 08. Juni 2006 vor, nach der er vom 01. Juli 2005 bis zum 30. Juni 2006 ein beitragspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt mit Einmalzahlungen in Höhe von 42.802,56 € (12 x 3.566,88 €) erzielte. Daraufhin bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 20. Juni 2006 Alg ab 01. Juli 2006 für 540 Kalendertage in Höhe von 46,88 € täglich auf der Basis eines täglichen Bemessungsentgelts von 117,27 € (42.802,56 €: 365 Tage). Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, weil nach seiner Auffassung auch die einmaligen Son...

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